Mit ganz viel Idealismus

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Aktive eröffnen Fairteiler-Station In der Raite 8 in Eningen, um Lebensmittel vor der Mülltonne zu retten. Jede und jeder kann sich bedienen

Eningen. Die Foodsharer (wörtlich: Lebensmittel-Teiler) im Landkreis Reutlingen sind bunt, vielfältig und vor allem extrem engagiert. Und bestens organisiert. Eine feste Struktur schreibt vor, wer wann wo Lebensmittel abholt, sie in die Fairteil-Stationen packt und wer die Stationen wann putzt. Letzteres ist laut Christian Fischer allein schon eine Frage der Sauberkeit. Und die Prüfung durch das Landratsamt, „das hier guckt, ob alles in Ordnung ist“. Die Gruppe braucht deshalb Verlässlichkeit. Um ihre Arbeit nicht selbst zu zerstören.

Am vergangenen Samstag haben die Foodsharer Reutlingen eine weitere Fairteil-Station in Eningen eröffnet – direkt bei der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK). „Einer aus der Kirchengemeinde hat die Anfrage auf Facebook gesehen, dass die Gruppe in Eningen einen Standort sucht“, berichtete Lena Schiller von der EmK. Das Anliegen wurde in der Gemeinde beraten und schlussendlich positiv beschieden. Ein winziger Raum, in dem bisher Rasenmäher und Mülltonnen ihren Platz hatten, wurde geräumt – dort stehen jetzt drei Kühlschränke, zwei ungekühlt als Lagerfläche für die Lebensmittel. Wo die Kühlschränke herstammen? „Wir haben zu einer Spendenaktion aufgerufen, dann über Ebay gesucht – und einen Kühlschrank haben wir selbst gespendet“, berichteten Katharina und Christian Fischer. Beide sind extrem engagiert, er schon seit sechs Jahren, zunächst in Stuttgart, nun dazu noch in Reutlingen und in Kirchheim.

Gesammelt werden die Lebensmittel bei Supermärkten, Bäckern, Restaurants, Bauern, sogar bei Tankstellen – natürlich alles in Absprache mit den jeweils Zuständigen. „Wir haben aber eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben, damit wir nicht sagen, wo wir die Lebensmittel abholen“, sagte Katharina Fischer. Im Kreis Reutlingen gebe es 450 Foodsharer, die entweder so engagiert sind wie die Fischers und Carmen Eberhard. „Wir sind aber auch froh über Leute, die ein- oder zweimal im Monat Lebensmittel abholen oder die Fairteiler-Station putzen“, so Eberhard.

Das streng planmäßige Abholen der Lebensmittel, das Bestücken und Putzen der Stationen (die nächste ist beim Café Nepomuk in Reutlingen, eine ist in Engstingen geplant) – all das erfordert viel Organisation und Einhalten der Regeln. Ein ganzer Haufen Arbeit steckt also dahinter? „Oh ja“, betonte Christian Fischer. Warum die Aktiven das machen? „Aus purem Idealismus“, so Fischer, der das wie alle anderen rein ehrenamtlich betreibt. „Unser primäres Ziel lautet, Lebensmittel vor der Mülltonne zu retten.“ Wenn damit gleichzeitig auch noch Menschen geholfen wird, über die Runden zu kommen – umso besser. „Es ist doch schön, was Soziales für andere Menschen zu tun“, betonte Carmen Eberhard. Aber: Vorrangig gehe es darum, Lebensmittel zu retten. Die Qualität der Waren sei schließlich im Normalfall sehr gut. Aber: „Sobald hier jemand was rausholt, ist die Person selbst verantwortlich“, betonte Fischer. Sollte tatsächlich mal ein Joghurt nicht mehr gut sein, „dann können wir keine Verantwortung übernehmen“, so Katharina Fischer.

Und: „Man muss sich nur vorstellen, dass beim Anpflanzen, der Aufzucht, Ernte, bei der gesamten Produktion und dem Vertrieb der Lebensmittel jede Menge CO2 produziert wurde“, erläuterte Christian Fischer. Unvorstellbar viele Bananen, Pilze und Radieschen würden laut Eberhard weggeschmissen. „Ich habe schon öfter alle von mir geretteten Lebensmittel auf einen Tisch gelegt und dann überlegt, was ich aus all dem kochen kann“, so Carmen Eberhard. Das fördere nicht nur die Kreativität, sondern schmecke auch richtig gut. „In der Kirchheimer Gruppe gibt es Retterinnen-Rezepte“, ergänzte Christian Fischer. Grundsätzlich müsse sich die Gesellschaft aber überlegen, ob die Supermarktregale so derart vollgestopft sein und Bäcker auch um 22 Uhr noch die volle Auswahl haben müssten. „In Frankreich gibt es ein Verbot, Lebensmittel wegzuwerfen – warum nicht bei uns“, fragten sich die aktiven Foodsharer am Samstag. Und im Übrigen: Eine Konkurrenz für die Tafel seien die Aktiven nicht – „wir kommen erst, wenn die Tafeln schon da waren“, betont das Paar Fischer.

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