Generalversammlung der Metzinger und Neuhäuser Wengerter sechs Monate später als normal an ungewohntem Ort in der Metzinger Stadthalle
War das bei der Metzinger-Neuhäuser Weingärtnergenossenschaft (WG) am vergangenen Freitagabend, am 30. August, fast schon so was wie ein revolutionärer Vorgang? Eine Bemerkung von Jörg Waldner bei der Generalversammlung am Freitagabend in der Metzinger Stadthalle – an völlig ungewohntem Ort – klang zunächst eher beiläufig. Doch sie hatte es in sich: „Zum ersten Mal in der Geschichte der Weingärtnergenossenschaft kandidiert eine Frau für den Aufsichtsrat“, so der WG-Geschäftsführer. Mit Antonia Wolf-Fritz aus Neuhausen trat eine 32jährige Maschinenbau-Ingenieurin an, die nach ihren eigenen Worten „von Kindheit an mit dem Weinberg vertraut“ ist und seit zwei Jahren mit ihrer Schwester zusammen eigene Flächen bewirtschaftet. „Ich würde gern die weibliche Sichtweise mit in die Arbeit der Genossenschaft einbringen“, betonte Wolf-Fritz.
Weibliche Sichtweise im Weinberg? So manche der zahlreichen älteren (männlichen) Anwesenden dürfte bei solch einer Bemerkung zusammengezuckt haben. Und dennoch: Antonia Wolf-Fritz wurde einstimmig von den knapp 60 Anwesenden gewählt. Was vielleicht auch nicht verwundern durfte – schließlich ist sie die Tochter von Gerhard Fritz, der seit vielen Jahren nichts weniger als der Aufsichtsratsvorsitzende der WG ist. Und als Spross dieser Familie muss man ja förmlich den Rebensaft im Blut haben. Oder nicht? Eingenommen hat die erste Frau im WG-Aufsichtsrat den Platz von Jörg Weiblen, der altershalber ausgeschieden war.
Auch im Vorstand gab es einen Wechsel – Robert Bahnmüller, der bereits im Aufsichtsrat saß, wurde einstimmig von den Wengertern in den Vorstand gewählt. Dabei nahm er den Platz von Siegfried Streicher ein, auch er war altershalber ausgeschieden. „Dabei sind das beide doch noch junge Kerle“, betonte Gerhard Fritz. Doch die Regel besage nun mal: Wer das 60. Lebensjahr erreicht hat, darf nicht mehr in Vorstand oder Aufsichtsrat gewählt werden. Weil Streicher zudem stellvertretender Vorstandsvorsitzender war, musste auch diese Position neu besetzt werden. Hier wurde (ebenfalls einstimmig) Martin Koch gewählt.
Ein kleiner Abriss von Fritz zu den beiden altershalber Ausgeschiedenen: „Jörg Weiblen war 18 Jahre im Dienst der Genossenschaft, er hat sich nie mit einfachen Antworten zufriedengegeben und das war gut so“. Siegfried Streicher hatte es gar auf 27 Jahre Einsatz für die WG gebracht, beide zusammen also kamen laut Fritz auf 45 Jahre. Und das hieß: „Ihr habt 630 Abende der Genossenschaft geschenkt, bei vier Stunden pro Sitzung macht das 2500 Stunden“, so der Aufsichtsratsvorsitzende. Eine andere Rechnung wollte Fritz aber nicht aufmachen, „wenn man pro Sitzung zwei Viertele rechnen würde“ – das Ergebnis ließ er offen.
Die Wengerter aus Neuhausen und Metzingen trafen sich am Freitagabend sechs Monate später als sonst, anstatt im Rebstöckle in Neuhausen in der ungewohnten Lokalität der Stadthalle. Gemütlich und gesellig ging es also (mit Maske und Abstand) in Metzingen nicht zu. Ein kleiner Snack vor und nach der Versammlung am Wagen der Weingärtner vor der Halle sollte das Ganze etwas versüßen – war aber kein wirklicher Ersatz für die ansonsten gewohnte Atmosphäre im Rebstöckle. Um Wein ging es am Freitagabend natürlich auch noch. Und zwar um das Geschäftsjahr 2019/2020 – „zu einem Zeitpunkt, wo das diesjährige Geschäftsjahr schon fast vorbei ist“, so Waldner. Sechs Monate Corona spielten in dem zurückliegenden Geschäftsjahr eine nicht unbedeutende Rolle: 10 000 Flaschen sind laut Fritz weniger verkauft worden, „der Nettoumsatz stieg aber um 1,2 Prozent“. Und der laut Waldner alles entscheidende Erlös sei gar von 5 Euro 72 auf 5 Euro 93 pro Liter Wein gestiegen. Ebenfalls erfreulich: Auch der Jahrgang 2020 sei ein „sehr hochwertiger, qualitativ guter Wein“, so Fritz.
Im laufenden Geschäftsjahr zeichne sich hingegen ein Verlust ab: Der Sommer sei einfach zu nass, Pilze erweisen sich nach den Worten von Waldner zu einem großen Problem. Der WG-Geschäftsführer rechnet mit einer Einbuße von 10 Prozent durch vermehrt auftretende Pilze und noch einmal 10 Prozent durch den Hagelschaden am 28. Juni dieses Jahres. „Mehltau wird gerade bei empfindlichen Sorten wohl auch noch ein Problem“, so Martin Koch. Abhilfe könne ein Mittel namens Vitisan bringen: „Das ist aus dem Biobereich, eine einfache Sache und sie hilft“, betonte Gerhard Fritz. „Dabei handelt es sich um nichts anderes als Backpulver.“