In unserem Kurzaufenthalt in der Rhön im Juli kamen wir in dem Dreiländer-Eck auch nach Geisa in Thüringen. Auf den ersten Blick wirkte der Ort ganz nett, auf den zweiten jedoch etwas marode: Geschlossene Läden, von den beiden Restaurants des Orts weiß man noch nicht so genau, ob sie nach Corona wieder öffnen. Insgesamt wirkte der Ort irgendwie … unwirklich. Ein paar schöne, ein paar historische Häuser, aber auch viele, die verlassen aussahen. Zu einer gewissen Berühmtheit kam die Gegend im Dreiländer-Eck nach dem Fall der Mauer. Unweit von Geisa verlief nämlich der Todesstreifen. Zwischen Ost und West. „Aus der Demarkationslinie zwischen der sowjetisch besetzten Zone und der amerikanischen sowie britischen Besatzungszone entstand eine Grenze“, heißt es auf einer Tafel der Gedenkstätte „Point Alpha“. „Auf einer Länge von 181 km wurden schon bald im thüringischen Rhöngebiet erste Grenzbefestigungen errichtet, die von sowjetischen Soldaten bewacht wurden.“ In einer sanft hügeligen Gegend standen sich auf einmal zwei Systeme gegenüber – der Kalte Krieg hatte begonnen. Aber waren die Deutschen nicht selber schuld, hatten sie doch den Zweiten Weltkrieg selbst angezettelt – und verloren. Doch was kam danach? Ein Staat, die DDR, die mit ähnlichen Mitteln wie die Faschisten ihr eigenes Volk unterdrückte. Die Perversionen an der Grenze nahmen schnell zu – um das eigene Volk am Davonlaufen zu hindern. Scharfgemachte und ausgehungerte Hunde, die an einer 100 Meter langen Leine liefen, waren nur ein kleiner Teil davon. Mit dazu gehörten auch selbstauslösende Splitterbomben, Selbstschussanlagen, 500 Meter-Schutzstreifen, Wachtürme, patrouillierende Grenzposten, Schießbefehle und noch viel mehr. Reste des einstigen Zauns und der gesamten Befestigungsanlage erinnern heute noch an die Zeit des geteilten Deutschlands. So auch ein Grenzpfosten, der ebenfalls für diese Zeit stand. Die Grenz-Gedenkstätte Point Alpha befindet sich am äußersten westlichen Zipfel der ehemaligen DDR. Rund 1000 Menschen sind wohl zwischen 1961 und 1989 beim Versuch, die innerdeutsche Grenze zu überwinden, gestorben, sie sind ermordet worden. Um Republik-Flüchtlinge im Vorfeld schon auszumachen, gab es in den Gemeinden innerhalb des fünf Kilometer breiten Grenzstreifens „Freiwillige Helfer der Grenztruppen“. Verräter, Denunzianten. Die DDR war eindeutig ein Unrechtsstaat. Ein System, das sein Volk gewaltsam einsperrte. Wer flüchten wollte, war nach dieser Ideologie der Straftäter – und durfte, musste erschossen werden. Wie pervers. Das Haus auf der Grenze ist ein eindrucksvolles Museum, das nicht nur über die Geschichte informiert, sondern gleichzeitig auch für das Nicht-vergessen wirbt. Damit Frieden bleibt. Frieden für ganz Europa. Entlang des ehemaligen Todesstreifens ist nach dem Mauerfall ein „Weg der Hoffnung“ gestaltet worden. Mit riesigen Eisenfiguren, die für den „Eisernen Vorhang“ stehen. Zahlreiche Straßenschilder entlang der einstigen Grenze zwischen Thüringen und Hessen, zwischen Ost- und Westdeutschland erinnern an die Wiedervereinigung nach dem Mauerfall. Der Besuch der Rhön-Region und der Gedenkstätte war für uns eine beeindruckende und gleichzeitig bedrückende „Grenzerfahrung“. Aber auch eine, die uns einmal mehr gezeigt hat: Wir alle sind gefordert, uns bestmöglich für den Erhalt von Demokratie, Frieden und Freiheit einzusetzen. Grenzerfahrungen 0 By Norbert Leister on 28. Juli 2021 Bildergeschichten Share. Twitter Facebook Pinterest LinkedIn Tumblr Email