Sonntag. Pfingsten. Roßberg. Wir waren mal wieder einer Verschwörung auf der Spur. Unser Trio präsentierte sich anfangs noch frohgemut und bester Laune. Das sollte sich jedoch bald ändern, als wir uns durch urwaldartiges Unterholz hindurchkämpften. Die Wege verwandelten sich in kilometerlange Schlammlöcher. Wir kämpften uns voran und hindurch, blieben fast stecken. Doch wir haben uns hochgekämpft – wie das Schild beweist. Wir wussten, dass wir den Berg erklimmen mussten, um den Jüngern der „Erleuchteten Pusteblume“ auf die Spur zu kommen. Unser Weg war gespickt mit unheimlichen Begegnungen, hier mit einem einarmigen Banditen. Und offensichtlich hatten die „Erleuchteten“ Blumen gesät, um uns vom Weg abzubringen: Hier seht ihr das wilde und ausdauernde Silberblatt. Doch wir ließen uns nicht ablenken und erreichten das Denkmal der Pusteblume. Die Form des Steinhaufens sollte an die leichten und filigranen Formen der Pusteblumen-Flugsamen erinnern. Ist aber nicht wirklich gelungen. Bei einer kurzen Rast sondierten wir die Lage. Ich sagte zu Markus: „Wir nähern uns dem Zentrum der ‚Erleuchteten‘.“ Er entgegnete: „Sind das wirklich Erleuchtete oder eher Unterbelichtete?“ Dann lachten wir alle drei schallend. „Blasphemie“, grollte da eine Stimme wie Donnerhall aus dem Tal herauf. Erschrocken schauten wir hinunter. Derart gewarnt, machten wir uns vorsichtig an den Abstieg. „Pass auf“, warnte ich Markus. „Hier gibt es gefährliche Schlingpflanzen.“ Und tatsächlich: Wenige Meter weiter schlugen riesige Fangarme durch die Luft und versuchten, nach uns zu greifen, Manche wirkten, als ob sie ein Lasso nach uns auswerfen wollten. „Nichts wie weg“, rief ich. Wir rannten um unser Leben, durch Schlamm und Matsch und durch einen Urwald gefährlich-betörender Pflanzen. Wir bemerkten, dass die Schatten der Bäume nun schon sehr lang geworden waren, da rief Bine: „Seht nur.“ „Der Wachhund der ‚Erleuchteten‘.“ Und ganz in der Nähe sahen wir eine Gruppe, die sich mit einem Ritual um eine Feuerstelle herum auf den großen Moment vorbereiteten. Tatsächlich versetzte das Geschehen auch uns in Ehrfurcht: Die Sonne näherte sich der großen Pusteblume, bis sie schließlich dahinter versank. Die „Erleuchteten“ fielen auf die Knie, verneigten sich und begannen zu feiern. „Corona ade, Corona isch hee“, sangen sie. Denn: Sie glauben, durch ihre ganz spezielle Pusteblumen-Erleuchtung seien sie nun immun. Wir erhoben uns, wie in Trance waren auch wir auf die Knie gefallen. Wir kämpften uns zurück. Erneut ging es steil bergauf, wie unglaublich froh waren wir, als wir wieder Spuren von Zivilisation entdeckten. Weit weg von den Unterbeleuchteten. „Schaut nur“, sagte ich frohgemut. „Ich habe alles aufgenommen, sonst würde uns das doch wieder niemand glauben.“ „Und was machen wir jetzt mit unseren Schlammschuhen“, fragte Bine. „Aufbewahren“, sagte ich. „Das ist der Schlamm der heiligen Pusteblume, den verkaufen wir an die ‚Erleuchteten‘.“ Die Beiden schienen mich nicht ernst zu nehmen. „Wartet nur“, sagte ich. „Ich erzähle das nachher alles meinem Hausfreund, der diebischen Elster – die wüsste schon, was sie mit dem wertvollen Schlamm anfangen würde.“ Verständnislos sah Prof. Quenstedt, der geologische Erforscher der Schwäbischen Alb, zu. „So e’n Bleedsinn“, grummelte er vor sich hin. „Ond des älles in meinem Forschungsgebiet.“ Ach ja. Man hat’s nicht leicht. Selbst als Denkmal nicht. Die Jünger der „Erleuchteten Pusteblume“ 0 By Norbert Leister on 25. Mai 2021 Bildergeschichten Share. Twitter Facebook Pinterest LinkedIn Tumblr Email