Vergangene Woche waren wir in Baiersbronn, ein trauriger Anlass. Eine Beerdigung. Doch das Wetter war schön. Und auch die Schwarzwaldhäuser. Als Trost gab es : Bines Lieblingsspeise. Spaghettieis. Wir orientierten uns am Ortsplan, um die örtliche Spezialität zu finden: Hackfleischpralinen. Auf dem Heimweg legten wir einen Stopp in Freudenstadt ein. Ich hatte so ein dummes Gefühl. Auf einem Dachfirst erblickten wir eine Hexe. Uns wurde ganz anders. Sie sprach zu uns. „Wenn ihr nicht aufpasst, dann verwandle ich euch, wie diese Leute hier ebenfalls in schräge Vögel.“ Die Katze schaute entsetzt. „Oder ich fliege mit euch gegen die Hauswand und ihr werdet blutiger Teil des Gemäldes“, drohte die Hexe. „Hilfe“, rief ich. Doch Bine grinste nur ungläubig. Und ich weiß es genau: Es war 16 Uhr 21 als Bine plötzlich in Freudenstadt verschwand. Gerade stand sie noch neben mir und im nächsten Moment war sie verschwunden. Ich suchte sämtliche Arkaden um den riesigen Platz herum ab. Nichts. Ich fragte alle Menschen auf dem Platz. Nichts. Niemand hatte Bine gesehen. Selbst diese Figur hatte in erhobener Position nichts beobachtet. „Und wenn du mich weiter nervst – Kopf ab“, rief die Type. Und die schöne Badende. „Ich bin beschäftigt, trainiere gerade für Olympia – Synchronschwimmen“, sagte sie. Ich war verzweifelt. Und tat wie mir geheißen. Ich drückte bei Rot und wartete bei Grün. Bis tief in die Nacht hinein. Schließlich fuhr ich verzweifelt nach Hause. Dort wandte ich mich an Markus, den Detektiv. „Warte“, sagte er. „Ich habe so eine Ahnung.“ Er führte mich zum Pfullinger Berg. Und fragte die Bäume. „Gehörnter Ehemann“, vermutete einer. „Bullshit“, sagte ich. „Niemals.“ „Schau“, sprach ich. „Reifenspuren, vielleicht wurde Bine ja entführt und hierhin verschleppt.“ „Hm“, sagte der Detektiv. „Wo Rauch ist, da muss auch Feuer sein“, sprach er in mysteriösen Andeutungen. Doch außer einem tollen Ausblick fanden wir dort niemanden, der uns weiterhelfen konnte. Aber dann wies uns der Rauch den Weg. „Hier lang“, sagte Markus. Auf der Hochwiese fanden wir wunderschöne blaue Blümchen. „Ja, so blaublaublau blüht der Enzian“, sangen sie. Identitätskonflikt? Markus nahm den Gesang mit seinem Smartphone auf, denn: „Sonst glaubt uns das kein Mensch.“ Wir kamen zu anderen Blüten, fragten nach Bine. „I can see for miles“, sangen die. Waren wir jetzt völlig durchgeknallt? Wir sprachen mit Blumen und hörten sie singen? Wir gingen weiter, kamen zu ganz frischen Blättern. Die sagten, sie müssten sich erst entrollen. Und sangen dazu: „Roll over Beethoven.“ Ein Baum schrie uns an. „Hey Joe.“ Meinte der uns? Er schrie noch lauter. „And the wind cries Mary.“ Wir gingen zu dem Baum, doch er schrie immer weiter. „Ein Jimmy Hendrix Fan“, sagte Markus. „Könnt ihr uns helfen“, fragten wir schließlich diese Schlüsselblumen. „Sprecht laut und deutlich in diese Blüten“, hörten wir. Doch es passierte nichts. „Sprecht laut und deutlich in diese Blüten“, kam immer wieder die Ansage. Falsch verbunden, dachten wir. Spätestens jetzt wussten wir, dass wir verrückt geworden waren. Dann sagte dieser Schmetterling auch noch: „So viele Punkte wie ich auf meinen Flügeln habe … und so viele Bahnen wie ich in meiner Rinde habe …“, sagte der Baum. „Gerade so viele Blätter, wie ihr hier zählen könnt … und so viele Blutbahnen, wie ihr erkennen könnt, genau so viele Jahre werdet ihr Bine nicht mehr sehen.“ Ich brach zusammen. Hatte sich alles gegen mich verschworen? Voller Inbrunst dachte ich an Bine, wie sie in Baiersbronn eine Wundertüte voller Eis für mich bestellt hatte – und plötzlich war sie wieder da. Mein Binchen. Mein Herzblatt. „Wo warst du denn bloß“, fragte ich sie. „Die Hexe hatte mich auf ihrem Besen entführt“, so Bine. „Über den Pfullinger Bergwiesen hat sie mich dann runtergeworfen.“ Der Hahn in unserem Garten lachte laut heraus. „Da gackern ja die Hühner.“ „Alter Chauvi“, erwiderte das Huhn. „Geht’s noch verrückter?“ Wir werden sehen. Wenn wir uns wieder erholt haben. Von diesem unglaublich nervenaufreibenden Abenteuer. Wie verhext 0 By Norbert Leister on 26. April 2021 Bildergeschichten Share. Twitter Facebook Pinterest LinkedIn Tumblr Email