10 Endlich Bretagne – Abschied

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Heute ist unser letzter Tag hier in Plomodiern – am Strand draußen hat sich das Phänomen der braunen schleimigen Algen, durch die wir gestern schon gewandert sind, noch weiter verstärkt. Heute ist der gesamte Strand vor unserem Fenster braun belegt. Auch das eine Folge des Klimawandels und der Landwirtschaft, die auch in der Bretagne zu viel Nitrat, zu viel Dünger, zu viel Gülle auf die Felder kippt. Bei nur fünf Prozent landwirtschaftlicher Anbaufläche kommen aus der Bretagne 60 Prozent der französischen Schweine, 45 Prozent der Hühner und 30 Prozent der Kälber, aus einer Region, die vor allem für Blumenkohl und Artischocken bekannt ist, wie 2011 der SPIEGEL angesichts der zunehmenden Algenplage schrieb. Warum nun an „unserem“ Strand so viel brauner Schmodder sich ablagert? Das liege an warmen Temperaturen in den Meeresbuchten mit geringer Wassertiefe, an der zu geringen Umwälzung des Wassers und – an zu viel Nitrat, durch das wiederum das Algenwachstum angeregt wird. Vor allem die grünen Algen würden dabei sogar sehr giftige Gase (Schwefelwasserstoff) bilden. Ein Kreislauf, ein tödlicher, der natürlich auch zum heutigen Klimawandel-Tag passt. Zu den massenhaften Demonstrationen, die offenbar auch in unserer lieben Heimat vonstatten gehen. Und der Klimagipfel in Berlin? Der bringt offenbar außer Stückwerk mal wieder nichts zustande. Auf jeden Fall nichts wirklich Radikales, das nun notwendig wäre. Ein Trauerspiel.

Etwas traurig sind wir nun auch – erstens, weil wir uns nun langsam verabschieden müssen. Ein wenig traurig aber auch, weil Isabelle, unsere Vermieterin, zum Schluss uns doch noch pampig kam. Bine hatte gemeint, dass wir ja noch 150 Euro von ihr bekommen würden, so sei das vereinbart gewesen. Wir gaben schriftlich unsere Kontonummer an und baten um Überweisung. Isabelle antwortete in barschem Ton, dass im Vertrag stehen würde: Je 30 Euro pro Woche für Strom, Wasser usw., dazu 60 Euro für die Endreinigung. Mache zusammen 150 Euro, die sie uns erlassen habe. Und die sie mitnichten überweisen werde. Keine Ahnung, ob Bine sie da missverstanden hat oder nicht. Egal. Ein wenig Galle kam dann bei uns mit dem Gedanken auf, dass es für uns doch nicht selbstverständlich sei, uns um die Beseitigung der Mäuse zu kümmern. Eigentlich wäre das doch ihre Aufgabe gewesen. Und wenn sie selbst wegen einem vermeintlichen Bandscheibenschaden nicht konnte, hätte sie einen Kammerjäger schicken müssen. Zumal es sich nicht um ein einziges Exemplar der Gattung Maus handelte, sondern mit Sicherheit um weit mehr als drei. Quasi eine Horde. Was hätte sie getan, wenn wir panisch reagiert und Hals über Kopf wieder abgereist wären? Und von ihr dann Schadenersatz gefordert hätten? Bine meinte, wir könnten uns ja vorbehalten, bei der Plattform, über die wir die Wohnung gemietet hatten, den Mäusemissstand zu melden. Mal sehen. Wir haben beschlossen, dass wir uns den letzten Tag hier nicht vermiesen lassen wollen und das Thema damit zur Seite gelegt. Passend dazu die philosophischen Betrachtungen von Markus Barsch auf SWR3: Sind cholerische Delfine AusFlipper, hatte ein Hörer gefragt. Oder: Mein Sohn aß im Auto Mandarinen, jetzt habe ich einen Schalensitz. Super.

Gestern sind wir hier den gesamten Strand von links nach rechts und andersherum nochmals abgelaufen. Unterwegs hatten wir ein Baguette gekauft und sind dann an der gegenüberliegenden Seite in den Felsen mindestens eine bis 1,5 Stunden unterwegs gewesen und haben im Mikrokosmos dort jede Menge Muschelfotos geschossen. War schön. Ansonsten sind wir den Tag auch gemütlich angegangen, nachdem wir vorgestern nochmals mit dem Auto unterwegs waren.

Zuerst zum Leuchtturm Phare d’Eckmühl – ein unvergessliches Erlebnis. Aber vor allem deshalb, weil wir 302 Stufen immer im Kreis,

immer mit freiem Blick nach unten uns in die Höhe kämpften. Ich hatte schon vor dem Turm stehend Bedenken, ob das nun gut wäre, dort hinaufzulaufen – und dafür auch noch knapp drei Euro zu bezahlen. Die Bedenken bestätigten sich. Mir wurde kotzübel beim Aufstieg. Als wir um Atem ringend oben ankamen, traute ich mich kaum hinaus auf den schmalen Ring um den Turm herum. Der Wind blies stürmisch, zumindest auf der einen Seite. Und da oben trafen wir auf eine junge Frau, mit einem Schild an ihrer Jacke. Offensichtlich muss sie dort oben aufpassen, dass nichts passiert. Und das stundenlang. Das wäre ein Job für mich. Womöglich würde ich mich nach einer halben Stunde in den Abgrund stürzen, weil ich den Schwindel nicht mehr aushalten würde. Der Ausblick war zwar tatsächlich gigantisch, aber meine Höhenangst in Verbindung mit dem Schwindel ergab ein an Panik grenzendes Gemisch in meinem Kopf und in meinem Magen. Ich war unglaublich froh, als wir uns wieder an den Abstieg machten. Und noch viel glücklicher, als wir wieder unten waren. Die Befreiung. Allerdings brauchte es eine ganze Weile, bis sich mein Magen und mein Hirn wieder beruhigten. Während Bine unterhalb des Turms in einem Bistro zum Grand Crème einen gezuckerten Crepes aß, reichte mir allein der Anblick des fettigen Fladens, um meinen unruhigen Magen in weitere Wallungen zu versetzen. Doch irgendwann war auch das vorbei und wir besichtigten die Umgebung des Turms. Auf der Meeresseite sahen wir ein paar kleinere Boote, die allesamt auf dem Sand lagen. Davor aber ein kleines Eck, in dem wir unglaublich viele kleine Schneckenhäuser fanden. Rote, gelbe, orangene, beige, blaue – alle Farben. Unglaublich. Auf der anderen Seite des Hafenstegs hatten sich zu hundert Prozent Algen abgelagert. Die dort auch ziemlich vor sich hinstanken. Aber wir haben dort trotzdem auch schöne Bilder geschossen.

Danach fuhren wir zurück durch das Örtchen Penmarc’h, haben die dortige, beeindruckende Kirche umrundet. Die Türen waren leider alle verschlossen, uns hätte interessiert, wie dieses Gemäuer von innen aussieht. Der Hafenort Saint Guénolé war unser nächstes Ziel: Dort liefen wir zunächst durch den Fischerei-Hafen, in dem es – wenig verwunderlich – ziemlich nach Fisch stank. Dennoch: Es war beeindruckend, die Fischkutter zu sehen, zahlreiche Fotos zu schießen und Atmosphäre zu schnuppern (puuuh). Anschließend liefen wir weiter zu riesigen Felsbrocken, die am Ortsrand in der Nähe am Strand lagen. „Wie gut, dass wir nicht wie früher Mike und Luka dort drin herumklettern müssen“, sagte Bine. Das sei einstmals immer ein Muss gewesen. Ich war nicht wild darauf. Und als ich einen älteren Mann sah, der auf sehr unsicheren Beinen auf der Aussichtsplattform herumwackelte, dachte ich: „Siehst du, so wird es uns auch mal gehen, wenn wir nicht mehr so ganz sicher auf den Füßen sind.“ Dennoch waren die Riesenfelsen beeindruckend. Nach diesem Kurzausflug setzten wir uns wieder ins Auto, fuhren zu einem nicht arg weit entfernten Strand, dem Wellenreiterparadies der Bretagne La Torche. Tolle Gegend, toller Sand (wie auf Amrum), tolle Wellen (zumindest im Vergleich zur sonstigen Küste hier – da haben wir so gut wie gar nichts an beeindruckenden Meeresbewegungen erlebt, hat mich aber zumindest auch nicht weiter gestört).

Und WellenreiterInnen waren tatsächlich auch welche unterwegs, sogar eine ganze Menge. Das Ganze natürlich erneut bei herrlichem Wetter – ich denke, hier in der Bretagne herrscht das gleiche Problem wie bei uns auch: Zu wenig Regen, zu viel Sonne, zu viel Trockenheit.

Für den Urlaub ist das natürlich toll. Aber ein paar mehr bewölkte Tage hätten mich auch nicht gestört. Dabei wäre ich fast schon wieder bei dem täglichen Naturschauspiel an „unserem“ Strand, vor „unserem“ Fenster. Das werde ich mit Sicherheit vermissen. Und das gerade auch, wenn das Wetter schlechter ist, dichte Wolken aufziehen, sie riesig groß direkt über dem Meer und dem Strand schweben, gerade so, als ob wir sie berühren könnten.

Fazit von drei Wochen Bretagne-Urlaub: Schön war’s hier. Sehr schön sogar. So einen fantastischen Blick aufs Meer von einer Ferienwohnung aus hatten wir beide noch nie gehabt. Diese Erinnerung wird auf jeden Fall bleiben. Es hat fast alles super gestimmt, die Atmosphäre zwischen uns beiden (bis auf meinen einen Tag, also ich oleidelig war), das Wetter war fast schon zu gigantisch, die angesehenen Städte, Strände, Felsküsten – alles war prima.

So dass wir durchaus überlegen, nächstes Jahr wieder in die Bretagne zu fahren. Weil die Fahrt hierher zwar durchaus sehr lang ist, aber Bine ja das Autofahren für sich entdeckt hat. Das heißt: Ich muss nicht die ganze Zeit fahren, sie hatte ja auf der Hinfahrt schon den größten Teil der Strecke bewältigt. Und hier ist sie auch die meiste Zeit gefahren. War für mich – naja, nicht gerade entspannend, aber – deutlich reläxter als selbst die ganzen Wege fahren zu müssen. Mal sehen, wie morgen die Heimfahrt wird.

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