Mit dem Leid der Geflüchteten abschrecken

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Online-Diskussion der Evangelischen und Katholischen Bildungswerke, von Seebrücke, AK Flüchtlinge und Asylpfarramt informiert über die Situation auf Flüchtlingsrouten über die Kanaren und Griechenland

„Flucht ist kein Verbrechen, aber es wird dazu gemacht“, so lautete der Titel der Online-Veranstaltung am vergangenen Freitagabend. Markus Groda berichtete dabei von einer „Beobachtungs- und Recherchemission“ mit einem Segelschiff zwischen den Kanarischen Inseln und Afrika im November – bei der er selbst dabei sein wollte. Doch dann musste der Reutlinger in Quarantäne und so koordinierte er die Aktion der von ihm mitgegründeten Initiative „Sarah (Search and rescue all humans)“ von zuhause aus. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Claudia Guggemos, der Leiterin der Katholischen Erwachsenenbildung. Mehr als 80 Personen hatten sich zu dem Online-Talk angemeldet, der zudem vom AK Flüchtlinge, der Seebrücke Reutlingen, von der Evangelischen Erwachsenenbildung und vom Asylpfarramt organisiert wurde.

Warum überhaupt diese Segelboot-Aktion zwischen der afrikanischen Westküste und den Kanaren? Weil laut Groda Geflüchtete vermehrt diese Route wählen, um über die spanischen Inseln nach Europa zu kommen. Aber: „Es besteht die Gefahr eines zweiten Lesbos“, sagte Markus Groda. Denn auch auf den Kanaren kommen immer mehr Geflüchtete an. Die zunächst noch freundliche Stimmung der Bewohner schlage langsam um, „weil rechte Bauernfänger dort die Menschen aufhetzen“. Die Aktion des Segelschiffs sei extrem schwierig gewesen, weil es ein riesiges Seegebiet zu kontrollieren galt. „Dort zufällig auf ein Boot mit Geflüchteten zu treffen, war wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.“ Doch immerhin: Zwei solcher kleinen Holzboote wurden tatsächlich entdeckt. Und sicher in den kanarischen Hafen geleitet.

Zwischen zwei und zwölf Tage seien die Geflüchteten auf den oft untermotorisierten und ungeeigneten, überladenen Schaluppen auf dem Meer – je nachdem, wo sie gestartet sind. „Längere Zeit dort an Bord zu sein, das ist die Hölle für die Menschen“, so Markus Groda. Manche würden verdursten, viele seien dehydriert. „Es gibt Tage, an denen weit mehr als 1000 Menschen auf den Kanaren ankommen.“ Abschiebungen zurück ins Heimatland sollen direkt von den Inseln erfolgen, „die Einwohner dort haben große Sorgen um den Tourismus, von dem sie leben“. Am Freitagabend berichtete auch Ute Wolfangel als Zuhörerin von der Situation auf den griechischen Inseln vor der türkischen Küste: „Ich war fünfmal dort, die Situation wurde jedes Mal schlimmer.“ Die Stimmung auf den Inseln dort habe sich dramatisch verändert, „die Menschen fühlen sich von Europa im Stich gelassen“.

Nach dem Brand in Moria habe sich die Lage auf Lesbos für die Geflüchteten noch weiter verschlechtert. Miserable Versorgungslage, ein Arzt für 4000 Menschen. „Das ist eindeutig Abschreckungspolitik“, sagte Wolfangel. „Und die EU will dort nichts verändern.“ Ein Skandal sei, dass „das Asylrecht auf den Inseln ausgehebelt wurde“. Ines Fischer dazu: „Jeder weiß, dass es keine gemeinsame Lösung geben wird – auch wenn noch so sehr danach gerufen wird.“ Ute Wolfangel fragte: „Warum kann Deutschland in der EU in dieser Frage nicht vorangehen – gerade, wenn es um Humanität geht.“ Fischers Antwort: „Es geht darum, diese Zustände zu etablieren – die Menschen sollen in Griechenland und anderen Grenzländern in Hotspots in Gefangenschaft genommen werden, das ist so geplant“, so Fischer. „Und das muss verhindert werden.“

Eine Situation zum Verzweifeln? „Ich bin nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben, dass es auch anders gehen könnte“, betonte Ines Fischer zum Abschluss des Online-Gesprächs am Freitagabend. Es müsse politischer Druck aufgebaut werden. Je mehr Wähler sich an die Bundes- und Landtagsabgeordneten wenden, sie zur Durchsetzung eines Landesaufnahmeprogramm auffordern, umso größer werde der Druck. Zahlreiche Menschen und Organisationen würden das Land bereits auffordern, sich zum „Sicheren Hafen Baden-Württemberg“ zu erklären – so wie das Berlin, Bremen und Thüringen bereits auf den Weg bringen wollten, um mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Doch das Bundesinnenministerium blockiere die Initiativen. Im Land sei es vor allem die CDU, die sich gegen ein Landesaufnahmeprogramm stellt. Deshalb müsse noch mehr Druck aufgebaut werden, betonte Fischer. Denn: „Wenn der politische Druck keinen Erfolg hat, werden die Lager an den EU-Außengrenzen immer größer und noch unmenschlicher.“

INFO:

Migranten oder Geflüchtete?

„Man muss auf die Sprache achten“, sagte Ines Fischer am Freitagabend während der Online-Diskussion. Selbst in den Medien werde immer öfter von „Migranten“ gesprochen, wenn es doch um Flüchtlinge gehe. „Der Begriff der ‚Migranten‘ wurde von der AfD ganz bewusst gesetzt, um damit zu behaupten, dass die Menschen doch gar nicht geflohen seien und somit auch kein Recht auf Asyl hätten“, so die Asylpfarrerin. Ähnlich verhalte es sich mit dem Begriff der „Wirtschaftsflüchtlinge“ – „wer keine Geflüchteten haben will, der spricht von Migranten“. Oder eben von „Wirtschaftsflüchtlingen“ – die doch ebenfalls nicht verfolgt seien und „nur“ nach Europa wollen, um hier ein besseres Leben zu haben. Von Klimaflüchtlingen ganz zu schweigen.

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