Na dann, Prost

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Wenn ich mal aufmerksam um mich herumschaue, dann fällt mir ganz deutlich auf: Meine Mitmenschen haben die unterschiedlichsten Trinkgewohnheiten: Die einen mögen ihr Getränk am liebsten eiskalt, aus dem Gefrierfach, quasi kurz vor dem Erstarren, möglichst noch mit Eiswürfeln versetzt. Andere hingegen, zumeist Ältere, sagen im Restaurant: „A Schorle bitte, aber net so kalt.“ Da stellt sich dann die fast schon philosophische Frage: Ist das womöglich sogar der Wendepunkt zum wirklich Alt-werden, wenn man das Getränk eher lauwarm anstatt eiskalt mag?

Wie an diesem winzigen Beispiel zu erkennen ist, wird wohl kaum jemand bestreiten, dass Trinkgewohnheiten sehr unterschiedlich sein können. Und im Internet werden die Gewohnheiten gar zur „Trinkkultur“ erhoben: An erster Stelle steht dabei im Web-Lexikon Wikipedia allerdings der „Genuss“ von alkoholischen Getränken. Und das nicht einmal zu Unrecht – wie wir an einem Wochenende in der traditionellen Weingegend der Pfalz gesehen haben. Könnte man sich vorstellen, dass um den sauren Sprudel, um Wasser mit oder ohne Blubb (Kohlensäure), also um das Mineralwasser, um Selters solch ein Hype gemacht wird wie um den Wein? Oder um das Bier? Obwohl – es gibt ja auch jede Menge Feste, bei denen sich alles um das Bier dreht. Beziehungsweise nach denen sich nach dem ausgiebigen „Genuss“ des alkoholischen Getränks bei den Konsumenten alles dreht. Ich denke dabei gerade ans Oktoberfest. An haufenweise vor allem jüngere Menschen, die in Lederhosen und Dirndl maßkrugschwingend auf den Tischen tanzen. Im Kontrast dazu stehen Apfelsaft und Most, die doch in Schwaben eine lange Tradition haben, verärgert und winzig klein im Schatten von Bier und Wein. Kaum vorstellbar, dass um die Apfelgetränke so ein Brimborium veranstaltet würde wie um den Wein. Zum Beispiel beim „Wurstmarkt“ in Bad Dürkheim, der – trotz seines Namens – das größte Weinfest der Welt sein soll?

In Wikipedia folgt unter Trinkkultur eine Beschreibung über das Trinken von Kaffee, Milchkaffee, Cappuccino und ähnlichen koffeinhaltigen Getränken erst unter „ferner liefen“. Aber – und das ist hochinteressant: Der Kaffee kam erst im 17. Jahrhundert nach Europa und wurde „zum typischen Getränk der Aufklärung, er galt als Wachmacher und Ernüchterer im Gegensatz zum berauschenden Alkohol.“ Anfangs konnte sich nur der Adel das teure neue Modegetränk leisten. Doch die Zeiten wandelten sich, das Bürgertum zog nach und trank fürderhin Kaffee wie verrückt. „Wurde vorher in allen Schichten zum Frühstück eine Biersuppe gegessen, aß man nun Brot und trank dazu Kaffee.“

Soweit wollte ich allerdings gar nicht in die Truhe der Geschichte greifen: In Bad Dürkheim nämlich saß ich im vergangenen Corona-Sommer meiner Frau und Freund Markus gegenüber, die beide in aller Seelenruhe nach ihrem Spaghettieis noch einen Cappuccino schlürften. Die Betonung dabei liegt auf „in aller Seelenruhe“, nicht auf „schlürften“. Während meine Tasse innerhalb von wenigen Minuten ratzeputz leer war, hatten meine Gegenüber selbst nach zwanzig Minuten erst ein winziges Schlückchen getrunken. „Jetzt ist er genau richtig“, sagten beide dann. Ich schüttelte hingegen ungläubig den Kopf. „Kaffee muss doch heiß sein und in der Kehle zwicken“, zitierte ich in Andenken an meine verstorbene, erste Frau ihren Leitspruch. Wie recht sie doch hatte. Bine, meine jetzige Angetraute, und Markus halten es offensichtlich eher mit dem Motto: Kalter Kaffee macht schön. Naja. Jeder und jedem das ihre und seine. Aber vielleicht ist ja doch was dran, mit der Schönheit und dem kalten Kaffee-trinken??? Vielleicht sollte ich’s doch auch mal probieren, vielleicht würde es ja doch wider Erwarten wirken und das kalte Koffeingetränk würde mich endlich schön machen? Aber wahrscheinlich ist das nun auch wieder nur irgend so ein uraltes Gerücht. Und damit auch nicht  mehr als „kalter Kaffee“?

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