Wir hatten einen Tipp bekommen: Auf der Alb bei Salmendingen sollten die schönsten Weihnachtsbäume zu finden sein. Markus wollte uns bei der Suche helfen. Auf der Hochfläche beim Kornbühl starteten wir – und es war bitter kalt. Weil ich möglichst schnell wieder ins Warme wollte, sagte ich: „Wie wär’s denn mit einem der beiden Bäume dort?“ – „Quatschkopf“, sagte Bine. „Oder das hier, das wär doch mal was anderes“, sagte ich und steckte meine eiskalten Hände ganz tief in die Hosentaschen. „Nadelbaum“, entgegnete Bine kopfschüttelnd. Meine Liebste hatte sich farbenfreudig auf die Winter-Wunder-Weihnachtsbaum-Suche vorbereit. Im gelben Rucksack sollte das Bäumchen seinen Platz finden. „Hier ist was“, rief ich vor Kälte schlotternd. Bine schaute bereits leicht genervt. „Wir brauchen einen Hinweis, irgendein Zeichen, das uns den Weg weist, ein Schild“, sagte sie. Und siehe da, da war es auch schon. Doch – ob die Richtung stimmte? „Wir müssen auf jeden Fall am Kornbühl vorbei“, wusste Markus. Und dann schon wieder ein Hinweis. Ich mäkelte: „Ob wir da nicht auf dem Holzweg sind?“ Bine hatte ihren Humor noch nicht verloren. „Vielleicht sollten wir den Osterhasen nach dem Weg fragen?“ „So’n Quatsch“, brummte ich. Doch dann hatten wir die Erleuchtung: „Wir müssen da vorne rechts gehen“, betonte Markus. Gesagt, getan. Zunächst durchquerten wir erneut einen Buchenwald. Und wir kamen zu einem knorrigen Gesellen. „Wohin des Wegs“, fragte der. „Wir suchen ein nettes kleines Weihnachtsbäumchen“, sagte Bine. „Das kostet aber“, sagte Knorri. Markus bezahlte. Und dann kamen wir zu einer weiteren Gestalt, die lachte uns hämisch an und wollte tatsächlich wissen, ob wir heute schon gelogen haben. Ein kleiner Zwangstest würde die Wahrheit ans Licht bringen: Hand rein, falls gelogen, Hand ab. Und ohne das – kein Weiterkommen. Wir spielten Schnick-schnack-schnuck. Bine hatte verloren. Und was für ein Glück – sie konnte ihre Hand behalten. Wir durften also weitergehen und sahen nun tatsächlich ein paar prächtige Nadelbäume. „Viel zu groß“, mäkelte ich. Schließlich kamen wir zu einem unglaublichen Aussichtspunkt, Dort erhielten wir den Hinweis: „Geht zu den Schweizer Alpen – dort gibt es die schönsten Weihnachtsbäume.“ Empört wandte ich mich ab, „die spinnen doch“, sagte ich, lief noch ein paar Meter und stand urplötzlich in der schönsten Weihnachtsbaumsiedlung, die man sich nur vorstellen kann. Bine nahm ihren Rucksack vom Rücken, doch sie konnte sich nicht entscheiden. „Die sind alle so schön“, sagte sie. Und Bine bekam Mitleid. Also wurde es nichts mit dem weihnachtlichen Baum für Leischders. Als wir uns auf den Heimweg machten, begann es schon zu dämmern. Dazu kam der eisige Ostwind, der uns immer stärker ins Gesicht blies. Kurz bevor wir das Auto erreichten, grüßte uns noch einmal die Salmendinger Kapelle. Wir fuhren durch das Killertal (wie gruselig) zurück, brauchten Stunden, um wieder aufzutauen – und um dieses unglaubliche Erlebnis zu verkraften. „Dass wir auch nie einen ganz normalen Spaziergang machen können“, dachte ich mir. Aber immerhin hatten wir die Erinnerung an eine wunderschöne Gegend im Gepäck mit nach Hause genommen. Auf der Suche nach dem weihnachtlichen Baum 0 By Norbert Leister on 30. November 2020 Bildergeschichten Share. Twitter Facebook Pinterest LinkedIn Tumblr Email