Mit unglaublich hoher Lebensintensität

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Ambulanter Kinder- und Jugendhospizdienst für den Landkreis Reutlingen wird zehn Jahre alt. Entlastung und Begleitung von Kindern und Familien mit lebensverkürzend Erkrankten

Kein schöner Zeitpunkt, um den zehnten Geburtstag zu feiern. Einige Aktionen und Feste waren geplant, etwa zusammen mit den Ehrenamtlichen, den betroffenen Familien und den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes, der für den gesamten Landkreis Reutlingen zuständig ist. „Wegen Corona haben wir alles abgesagt“, berichtet Silvia Ulbrich-Bierig im Pressegespräch. Zu gefährlich, zu groß wäre das Risiko, dass sich Familienmitglieder oder auch die „lebensverkürzend Erkrankten“ mit dem Covid-Virus infizieren könnten.

„Nach dem ersten Lockdown lief ja gar nichts mehr“, sagt Heike Schneider, die eine der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes der ersten Stunde ist. Und die sich auch heute noch aktiv einbringt. In den jetzigen Corona-Zeiten habe sie viel telefoniert, über die „sozialen Medien“ mit den Familien kommuniziert, die sie betreut. Wie sie zu dem ungewöhnlichen Dienst dazugekommen ist? „Anders als viele andere, habe ich keine eigenen Erfahrungen mit Verlust gemacht, ich habe eine Notiz in der Zeitung gesehen, die hat mich angesprochen“, sagt Schneider. Voraussetzungen, die jemand für die Tätigkeit mitbringen sollte? „Man braucht natürlich Zeit und muss sich zurücknehmen können“, betont Heike Schneider. Und Empathie sei natürlich auch vonnöten. Um sich auf die jeweiligen Kinder, Jugendlichen, die ganze Familie und die jeweilige Situation einstellen zu können. Denn: „Die Familien geben an, was sie brauchen, denn sie sind die Spezialisten ihrer eigenen Situation“, betont Dietmar Stooß. Zusammen mit Rita Leonard betreut das hauptamtliche Koordinationsteam sowohl die Familien wie auch die Ehrenamtlichen.

„Wir schauen, dass es zwischen beiden Seiten passt“, so Leonard. Betreut, begleitet, unterstützt wird tatsächlich die ganze Familie – dabei kann es sein, dass ein oder gleich mehrere Kinder „lebensverkürzend“ erkrankt sind. „Wir wollen weg von Begriffen wie sterbens- oder todkrank“, sagt Stooß. „Jeder Mensch muss sterben, früher oder später – bis dahin gilt es aber, zu leben.“ Und das gelinge vielen Familien mit solchen Schicksalen häufig erstaunlich gut. „Es ist unglaublich, was gerade in solchen Familien an Lebendigkeit zu spüren ist“, sind sich Stooß, Leonard und auch Schneider einig. Begleitet werden, je nach den Bedürfnissen der Familien, erkrankte Kinder oder Jugendliche, deren Geschwister und natürlich seien auch immer die Eltern mit dabei. „Wir sind aber auch für Kinder da, bei denen ein Elternteil erkrankt ist“, so Leonard. Natürlich müsse man die schweren Situationen aushalten können, sagt Heike Schneider. Also auch den Tod. Mut sei vonnöten. Aber sie habe in dieser Tätigkeit so enorm viel gelernt und zurückbekommen – darunter auch die Erkenntnis, dass die eigenen Probleme deutlich kleiner geworden sind. „Man wird bei der Begleitung geerdet“, sagt Schneider. Und sie hat sich nach ihren ersten Kontakten mit betroffenen Familien schnell weiter ausbilden lassen zur Trauerbegleiterin. „Ich wollte wissen, ob ich auch das kann und aushalte.“

Neben dem direkten Kontakt in den Familien gebe es noch viele andere Möglichkeiten, sich einzubringen – in die Geschwistergruppen etwa, die sich einmal im Monat treffen. Oder die Familien bei Behördengängen untrstützen, ihnen Fachdienste zu vermitteln. Viele andere Ideen sind laut Schneider vorhanden, „wenn wir noch mehr Engagierte hätten, könnte noch viel mehr möglich sein“. Öffentlichkeitsarbeit wäre auch so ein Betätigungsfeld, betont Silvia Ulbrich-Bierig als Geschäftsführerin des Reutlinger Ambulanten Hospizdienstes.  Finanziert wird der Dienst zum Teil über die Krankenkassen, ein gewichtiger Teil muss aber über Spenden aufgebracht werden. Jetzt in Corona-Zeiten sei das noch schwieriger als sonst. Und weitere Unterstützung durch zusätzliche Ehrenamtliche ist laut Ulbrich-Bierig ebenfalls vonnöten. Die Tätigkeit sei gar nicht so schwer, belastend und tieftraurig wie die meisten Menschen glauben würden, meint Heike Schneider. Gerade, weil „in den Familien eine enorm hohe Lebensintensität zu spüren ist, in guten wie in schlechten Zeiten“, sagt Rita Leonard.

INFO:

Homepage und Spendenkonto

 Für die Familien, Kinder, Jugendliche, Eltern hat sich der Ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst seit der Einführung vor zehn Jahren zu einer großen Unterstützung und Hilfe nicht nur für die lebensverkürzend Erkrankten entwickelt. Einen Einblick der Arbeit vermittelt ein Video auf der Homepage des Dienstes unter der Adresse www.hospiz-reutlingen.de/kj-video. Wer die Arbeit des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes unterstützen will, kann dies über die Bankverbindungen Kreissparkasse Reutlingen, IBAN: DE19 6405 0000 0000 0865 74 oder Volksbank Reutlingen, IBAN: DE19 6409 0100 0116 2150 03 tun.

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