Endlich Amrum – 2 Heiß

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Heiß

Es ist unerträglich heiß heute. Und das auf Amrum. Seit zwei Tagen sind wir nun auf unserer ganz persönlichen Trauminsel. Natürlich haben wir als erstes nachgesehen, ob der riesige Strand noch da ist und so aussieht, wie wir ihn in Erinnerung hatten. Aber heute? Unerträglich heiß. „Deutschland schwitzt“, titelt Spiegel Online, wie Sabine gerade aus ihrem Tablet vorliest. Vorher haben wir alle drei das ZEIT-Quiz gemacht. Acht Fragen zu aktuellen Themen. Sabine hat sechs richtige, Luka und ich vier. Damit sind wir beide sehr unterdurchschnittlich. Und ich muss mir den letzten Platz auch noch mit einem 17-Jährigen teilen, der sich vermeintlich überhaupt nicht für das Tagesgeschehen interessiert. Ich bin nicht nur verschwitzt, sondern auch zutiefst frustriert.

Eigentlich wollten wir heute um die Amrumer Nordspitze herum laufen. Die eine Hälfte am Watt entlang, die andere am Kniepsand. Herrlich. Weil aber immer wieder eine Gewitterwarnung im Raum hing, hatten wir uns entschlossen, direkt von Norddorf aus eine kürzere Tour über die Bohlenwege ins Inselinnere zu starten. Wir kamen nicht weit. Kaum in Dünennähe angelangt, traf uns die Hitze und die Windlosigkeit wie ein Hammer. „Viel zu heiß“, sagten wir alle drei. Und kehrten wieder um. Liefen schnurstracks zum Eisladen, schleckten leckeres Rhabarbereis und schleppten uns zurück zur Unterkunft. In der Wohnung ist es leidlich erträglich. Wenn man nicht gerade, wie wir, sich mit Kaffee zusätzlichen Heizstoff hinter die Kiemen gießen würde. Selber schuld, könnte man da sagen.

Gestern waren wir zunächst morgens einkaufen, die Getränkevorräte schwinden bei den Temperaturen rasend schnell dahin. Beim Edeka trafen wir auch auf ein

en Postkartenstand und dachten: An unsere Eltern können wir ja keine Mails, WhatsApp-Nachrichten und -Bilder schicken – also sollten wir uns auf diesem völlig veralteten, ur-historischen handschriftlichen Weg melden. „Briefmarken haben wir nich, da müssen Sie zur Tourist-Information“, hieß es an der Kasse. Wir also mit vollem Gepäck dorthin, es handelte sich um eine Strecke von maximal 200 Metern. Sabine ging hinein, um die Briefmarken zu holen, ich wartete draußen, passte auf Räder und Einkäufe auf.

Plötzlich trat eine mir unbekannte Frau aus dem Gebäude heraus und stellte sich neben mich. Schon beim Verlassen des Hauses hatte sie angefangen zu erzählen. Ich fragte mich da schon, mit wem sie wohl reden möge. Als sie direkt neben mir stand, tat sie das ohne Unterlass weiterhin. Sie deutete dabei ständig auf einen Flyer, in dem offensichtlich höchst interessante Informationen zu finden waren. „Schau, hier, wir müssen wir am soundsovielten um soundsoviel Uhr sein, dann können wir dies und jenes dort machen und dann …“ Ich sagte keinen Ton, schaute sie nur an – ohne jeden Erfolg. Schließlich unterbrach ich ihren Redefluss und sagte: „Ich glaube, Sie wollen gar nicht mit mir reden?“ Verdattert hob die Frau ihren Kopf, blickte mich an, begann zu lachen und sich gleichzeitig zu entschuldigen. „Ich habe, ich dachte, mein Mann, entschuldigen Sie …“ Nun fing ich, höchst amüsiert, an zu lachen, sie entfernte sich ebenfalls lachend, ging zu ihrem Gatten, der ein paar Meter entfernt stand, erzählte ihm die Geschichte. Gleichzeitig kam Bine aus der Tourist-Information zurück, ich berichtete ihr, was mir gerade widerfahren ist, ein paar Meter weiter stand das andere Paar. Wir lachten alle vier herzlich. Als wir an dem Paar vorbeiliefen, sagte der Mann: „Zumindest sind Sie jetzt bestens informiert.“ Ich antwortete: „Genau das habe ich gerade auch gedacht.“ Anschließend gingen alle vergnügt ihrer Wege. Mein Fazit dieses Erlebnisses: Wenn Frauen denken, dass sie ihren Mann vor der Tür eines Ladens oder eines anderweitigen Gebäudes stehen lassen können und der eine Weile später immer noch an derselben Stelle verweilen würde – dann haben Frauen ihre Männer unterschätzt.

Gestern Nachmittag sind wir mit dem Rad zum Fischbäcker nach Nebel gefahren, haben zunächst einige

schöne Fotos von der Kirche dort gemacht. Die Kunst dabei: Nicht die immer gleichen Bilder zu schießen, die ich in vielen Jahren zuvor auch schon gemacht habe. Der Backfisch war richtig lecker, wenn auch ziemlich schwierig zu essen – ohne sich das gesamte T-Shirt und die Hose mit Mayonnaise zu bekleckern. Danach fuhren wir zur Mühle von Nebel, haben weitere Fotos geschossen. Und dann? „Wenn wir heute gleich noch zum Leuchtturm fahren, haben wir alle baulichen Sehenswürdigkeiten von Amrum an einem Tag hinter uns gebracht“, sagte ich frotzelnd. Obwohl das natürlich gar nicht stimmt, denn eigentlich ist jedes Reet-gedeckte Hausdach auf der Insel schon eine Attraktion für sich. Von Strand, Watt und Meer natürlich gar nicht zu reden. Wir fuhren also zum Leuchtturm, hinauf konnten wir allerdings nicht. Öffnungszeiten von 8 Uhr 30 bis 12 Uhr 30.  Und wir waren gegen 15 Uhr dort. Das war mir gar nicht so unrecht, denn meine Schwindelfreiheit wurde somit nicht einmal mehr auf eine harte Probe gestellt.

Weiter also zur Vogelkoje. Doch die Vögel, die sich ansonsten dort zuhauf tummeln, hatten es wohl aufgrund der Hitze vorgezogen, sich andernorts aufzuhalten. Nur einige Graugänse führten ihre Jungen dort spazieren. Eine Gans-Familie trumpfte gar mit sage und schreibe zehn Kindern auf. Ansonsten ließen sich eine Möwe und ein seltsamer grauer Vogel mit schwarzem Kopf sehen. Letzterer wurde von uns, aufgrund von uferloser Unwissenheit, als Schwarzkopfvogel tituliert. Bei der Vogelkoje handelt es sich im Übrigen nach Informationen von „Amrum Travel“ um einen ehemaligen Entenfanggarten, in dem im 19. und 20. Jahrhundert von gezähmten Enten bis zu 400 000 wilde Enten angelockt, gefangen und ihnen der Hals umgedreht wurde. Heute gibt’s sowas natürlich nicht mehr. Mit den dort installierten Spielgeräten und den vielen Vögeln, die sich von den Touristen gerne anlocken lassen, ist die Vogelkoje aber ein beliebter Ausflugsort.

Als wir schließlich zurück in Norddorf waren, fuhren wir zum Pakistani, der zusammen mit einem indischen Kellner (oder war das andersherum?) und einer polnischen Bedienung seit vielen, vielen Jahren eine Pizzeria in zentraler Lage direkt gegenüber von Hüttmann, dem größten Hotel auf Amrum, führt. Ich war zwei- oder dreimal in einer der beiden Ferienwohnungen von Ghulam Khan. Mittlerweile hat er zudem ein Haus in Nebel, in dem er weitere sieben Ferienwohnungen anbietet. Was einmal mehr beweist, dass er ein sehr umtriebiger, sehr geschäftstüchtiger Mann ist, der mit seiner Familie zudem noch einen Fahrradverleih und seit ein paar Jahren auch ein Eiscafé betreibt. Internationalität ist Trumpf in Norddorf auf Amrum.

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