Staatlich organisierte Vergewaltigung

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Ehemaliger Kriminalhauptkommissar Manfred Paulus berichtet im Rahmen der 30. Interkulturellen Woche am Montag, 5. Oktober, im Reutlinger Spitalhof über „Menschenhandel und Sexsklaverei“

90 Prozent aller Frauen, die in Deutschland als Prostituierte arbeiten, stammen aus dem Ausland, berichtete der einstige Kriminalhauptkommissar aus Ulm, Manfred Paulus, am Montagabend im Reutlinger Spitalhof im Rahmen der 30. Interkulturellen Woche. Junge Frauen und gar Kinder kommen laut Paulus aus der Ukraine, aus Bulgarien, Albanien, Moldawien, Nigeria – kurz: aus den Armutsregionen Europas und darüber hinaus. Wie oft behauptet werde, kommen sie aber beileibe nicht freiwillig hierher, sie werden rekrutiert, verkauft, versklavt, so der Ex-Kommissar.

„Alle Frauen haben typische Opfermerkmale: Sie kommen aus den ärmsten Regionen der Welt, sie stammen aus schwierigen Familienverhältnissen und sind leicht verführbar“, so Paulus. „Das haben sich die Täter zunutze gemacht.“ Die stammen nämlich mittlerweile fast alle und fast überall aus der organisierten Kriminalität mit Mafiastrukturen. Das Rotlichtmilieu sei in den meisten deutschen Städten in den Händen ausländischer Clans, denn: „Mit den Frauen kommen auch die Täter mit.“ Das sei wenig verwunderlich, schließlich handle es sich bei der Prostitution um „die einzige Form der Kriminalität, bei der die Täter nicht einen Cent investieren müssen“. Denn die Frauen seien ja bereit, zu gehen. Sie würden sich ein besseres Leben in Deutschland erträumen, von einer Karriere als Model oder als Tänzerin. Oder zumindest von einem Job in der Gastronomie oder als Putzhilfe.

All das werde den jungen Frauen von skrupellosen und gewaltbereiten Männern versprochen. Doch sobald die Täter ihre Opfer so weit haben, dass sie in das fremde Land geschleust werden, lassen die Männer laut Paulus die Masken fallen, „da kippt das Ganze in Brutalität und Gewalt“. Den Frauen werden Drogen verabreicht, sie werden so lange vergewaltigt, bis sie gefügig sind, betonte der Kommissar. Wenn sie dann in Deutschland ankommen, beginne die Ausbeutung. „Von Anfang an wurde ihnen eingetrichtert, dass sie keine Chance haben, wenn sie zur Polizei gehen, sie haben illegale Papiere, niemand wird ihnen glauben, heißt es“, so Paulus. Und: „Die deutschen Rotlichtmilieus sind Subkulturen mit eigenen Gesetzen, mit eigenen Richtern und auch mit eigenen Henkern.“ Deshalb würden sich auch nur sehr wenige Frauen raustrauen aus dem Milieu – weil sie um ihr Leben fürchten. Und wenn sie gefragt würden, dann müssten sie immer sagen, dass sie völlig freiwillig diesen Job in den Bordells machen.

Das 2017 in Deutschland eingeführte Prostituiertenschutzgesetz vermittle laut Paulus, dass die Frauen „Dienstleistungen abliefern, die sie freiwillig erbringen – wie die Post, die Bahn, die Polizei“. Was natürlich Blödsinn sei. Stattdessen müsse das sogenannte „nordische Modell“ auch in Deutschland eingeführt werden, forderte Manfred Paulus. Demnach ist wie in Schweden (und auch seit drei Jahren in Frankreich) Prostitution verboten, es gelte ein „Sexkaufverbot, Freier werden bestraft“. Deutschland hingegen habe die Prostitution mit der Gesetzgebung legalisiert – und damit auch den Menschenhandel und die Sexsklaverei.

Das sei ein unerträglicher Zustand für die Frauen in den Bordellen, betonte auch Monika Barz, die im Landesfrauenrat vertreten ist und sich mit dem Verein „Sisters-ev.de“ für den Ausstieg aus der Prostitution einsetzt. Aber: Bei einer Demonstration in der Reutlinger Wilhelmstraße hätten alle Passanten einen Riesenbogen um den Stand gemacht – bis auf ein paar wenige Männer, die Mut zusprachen. Asylpfarrerin Ines Fischer erläuterte am Montagabend, dass Reutlingen bei dem Thema Prostitution auch nicht außen vor bleibt: Immer wieder würden ihr geflüchtete Frauen von sklavenähnlichen Verhältnissen berichten. „Es gibt in Reutlingen nicht nur zwei Bordelle, das müssen wir öffentlich machen – ich bin immer wieder total entsetzt, dass staatlich organisierte Vergewaltigung erlaubt ist.“ Enorm wichtig sei dabei auch, „welches Menschenbild wir hier vermitteln, wenn Frauen käuflich sind für die intimste Nähe zwischen zwei Menschen“, fragte Fischer.

INFO:

Das „nordische Modell“

Das Reutlinger Frauenforum hatte diesen Montagabend zum Thema „Menschenhandel und Sexsklaverei“ zusammen mit Vitamin e.V. organisiert,  mit dem Asylpfarramt, Soroptimist, Sisters e.V. und der Katholischen Erwachsenenbildung. Bei dem Vortrag waren etwa 90 Prozent Frauen anwesend. Das „nordische Modell“ bringt laut Prof. Monika Barz einige Vorteile mit sich: „Die Nachfrage nach Prostitution würde reduziert, Frauen würden weniger ausgebeutet.“ Gleichzeitig werde der Kauf von Menschen „gesellschaftlich geächtet und eindeutig ausgedrückt, dass Prostitution Gewalt ist“, so Barz. Enorm wichtig seien mit der Einführung des Modells gleichzeitige Ausstiegshilfen für Prostituierte und immer wieder Aufklärung in der Gesellschaft. Ein kleiner Nebeneffekt des „nordischen Modells“: „Die organisierte Kriminalität ist seit der Einführung des Modells in Schweden verschwunden, raten Sie mal wohin“, sagte Manfred Paulus dazu. „Natürlich nach Deutschland.“

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