Deutlich spürbar wird es Herbst. Die Blätter an den Bäumen färben sich scheinbar von einem Tag auf den anderen bunt und auf dem Feldberg ist sogar schon Schnee gefallen. Völlig überraschend geschah das nach diesem unglaublich langen Sommer. Gedanken an den trüben kalten November kommen auf, wartet nun Tristesse auf uns bis zum nächsten Frühjahr? Ach was. Freuen wir uns doch heute schon auf den nächsten Frühling. Ich habe hier eine kleine Geschichte, die ich vor mehr als zwei Jahren geschrieben hatte. Über die (nicht ganz ungetrübte) Freude, wenn das Frühjahr wieder da ist:
Ist das nicht herrlich? Das Frühjahr, mit seiner blühenden, gelben, roten, blauen, lilanen, weißen, farbig-bunten Macht, die Einzug in den grauen Alltag hält? Wenn die Vögel anfangen zu zwitschern, zu tirilieren, flöten und zirpen? Das Gras wechselt von grau-braun-beige zu grün, die Blätter sprießen an den Bäumen in einem saftigen Grün, wie es nur im wunderbaren Frühjahr zu sehen ist. Die Farben kehren zurück in die Natur – was nach dem langen, grauen Winter eine wahre Wohltat ist.
Wenn, ja wenn da nicht diese unglaubliche Müdigkeit wäre. Ach, wie matt fühle ich mich jeden Morgen. Und jeden Mittag. Und jeden Abend. Gerade so, als ob ich vom Winterschlaf direkt in jene Mattigkeit des Frühlings hineingeschlittert wäre. Grausam ist dieser Zustand. Was soll das nur, diese bleierne Schwere, die mich und meine Glieder erfasst? Kaum dass ich morgens aus dem Tiefschlaf aufgestanden bin, mir Wasser ins Gesicht geschüttet habe und denke: Jetzt bin ich wach – da sitze ich kurz darauf am Frühstückstisch und meine Augenlider wollen schon wieder dem Gesetz der Schwerkraft folgen und ganz nach unten klappen, dazu scheint mein Hirn von einer bleiernen Trägheit erfasst. Woher kommt das nur, hämmert-dämmert es in meinem Kopf? Oder ist das alles nur Einbildung, wie es vor kurzem im Radio hieß, eine Studie habe belegt, dass es gar keine Frühjahrsmüdigkeit gebe? Was für ein Blödsinn. Ich schaue also in eine Fachzeitschrift, die zu jeglichem Thema die passende Antwort weiß und nehme die Apotheken-Umschau zur Hand. „Wenn die Kälte des Winters den wärmeren Temperaturen weicht, muss sich der Körper langsam daran gewöhnen. Der Organismus reagiert mit einer typischen Reaktion: Die Blutgefäße stellen sich weit, der Blutdruck sackt ab. Und das macht uns müde“, heißt es da. Oh ja, wie ich das spüre – dass meine Blutgefäße sich weit stellen. Und der Blutdruck in den Keller geht. Ich folge ihm und hole das nächste Vorratspaket Kaffee herauf in die Wohnung. Mein Magen rebelliert jedoch, Sodbrennen vom vielen schwarzen Gebräu legt sich in meine Gedärme. Gibt es keinen Ausweg aus diesem Dilemma? Was rät denn die „Apotheken-Umschau“? „Am besten hilft Sport“, steht da. Na toll. Ausgerechnet Sport, wenn ich eh schon hundemüde bin und mein bester Freund, der innere Schweinehund, mir lautstark ins Ohr brüllt: „Lass es bleiben. Sport ist Mord. Stell dir mal vor, wie du schlaftrunken durch die Gegend torkelst und von einem Frühjahrs-trunkenen Radfahrer über den Haufen gefahren wirst.“ Ich tue das einzig Wahre, gehe zurück ins Schlafzimmer, suche mein Bett auf, vergrabe mich wieder in meinen Kissen. Und ich beschließe zu warten. Bis der Sommer kommt. Von Sommermüdigkeit habe ich noch nie was gehört.