„Echt Jetzt“-Festival des Theaterpädagogischen Zentrums im Reutlinger Heimatmuseumsgarten begeistert mit insgesamt zwölf Gruppen an drei Abenden zahlreiche Besucher
Von Norbert Leister
REUTLINGEN. „Warum ist die Welt so schlecht“, fragten die Gruppenmitglieder des „physical poetical theatre !Ushka“ am Freitagabend das Publikum (oder doch eher sich selbst?). „Alle sind sich ständig am Zoffen, dabei ist die Musik so geil und so ‘ne Bank ist doch für alle da.“ Damit war im Reutlinger Heimatmuseumsgarten bei den Aufführungen von insgesamt fünf Gruppen das Thema klar definiert: Es ging um die Stadt als Lebensfläche, die sich viele Menschen teilen müssen. Und diese Stadt wurde durch eine Sitzbank symbolisiert – um die sich im Ernstfall viele streiten. Aber, dass das Zusammenleben deutlich einfacher, schöner, lebenswerter wird, wenn man sich eben nicht zofft, sondern gemeinsame Dinge miteinander angeht, die Spaß machen – das verdeutlichte nicht nur „!Ushka“ mit Tanzakrobatik, poetischen Szenen und gemeinsam inszenierter Musik.
Auch behinderte Menschen haben ein Recht auf Teilhabe am städtischen Leben – das verdeutlichte am Freitagabend eine Gruppe des Kunst-Ateliers Kulturpark, Habila Rappertshofen: Ihre Forderungen, die sie auf Schildern an ihren Rollstühlen befestigt hatten: „Bordsteine plattmachen. Barrierefreie Mobilität.“ Aber auch ganz einfache Dinge, die dafür standen, dass sie als gehandicapte Personen auch ganz normale Teilhabe wollen. Deshalb die Forderung eines Jugendlichen: „McDonalds.“ Oder auch: „Fröhliche Menschen.“ Dazu führte die Gruppe noch einen Rap auf, in dem es hieß: „Das ist die neue Stadt, wir schaffen einen Schatz.“
Genauso wie am ersten Festival-Abend vergangenen Donnerstag, war auch am Freitagabend der Garten im Heimatmuseum mit seiner ganz besonders ansprechenden Atmosphäre, sehr gut besucht. „Es ist voll, so wie auch am Vortag“, sagte Monika Kunze vom Theaterpädagogischen Zentrum (TPZ). „Viele Menschen auf einem Haufen wie im vergangenen Jahr bei dem Echt-Jetzt-Festival, das geht dieses Jahr nicht“, sagte Andreas Hoffmann. „Aber wir machen endlich wieder Kultur, wir sind richtig glücklich.“ Wenn auch mit sehr vielen Einschränkungen, wie etwa Abstandsregeln, Masken und deutlich weniger zugelassene Zuschauer. „Die Gruppen, die an allen drei Tagen auftreten, haben sich voll ins Zeug gelegt“, betonte Hoffmann aus dem Vorstand des TPZ. „Man hat zwar am ersten Abend gemerkt, dass es aufgrund von Corona keine durchgeprobten Aufführungen waren – aber das war in der Kürze der Vorbereitungszeit auch gar nicht möglich.“
Eine Botschaft, die Schüler des Tübinger Wildermuth-Gymnasiums mit ihren Videobotschaften in den Heimatmuseumsgarten brachten: „Wir dürfen unseren Humor nicht verlieren, trotz der nervenden Masken – lacht aus vollem Herzen, weil man euer Lächeln hinter den Masken ja nicht sieht.“ Tablets waren auf Tischen entlang einer Mauer des Gartens aufgestellt worden, die Besucher konnten sich die Videos vor, während und nach den anderen Aufführungen der Künstler ansehen. Kurze Geschichten hatten die Schüler eindrucksvoll per Videos inszeniert und sich selbst dabei mit ihrer Situation während Corona auseinandergesetzt. „Sehr, sehr sehenswert“, so Hoffmann.
Begrüßt wurden die Besucher von den Clowns Bubu und Putt, die sich auf ihre Art sehr amüsant mit den Abstands- und Hygieneregeln auseinandersetzten. Das Frauentheater des LTT hatte – ebenso wie die Wildermuth-Schüler – eine kleine Geschichten-Collage zusammengestellt, wie es ihnen mit Corona ergeht. Sie taten das allerdings ganz analog und bezogen auf die Parkbank, auf der sie mal hoffnungsvoll und bestens gelaunt, mal wartend, aber sich auch mal vergrämt und stinkesauer präsentierten. Und Fräulein Blume und Herr Unkraut? Die beiden erzählten die Geschichte von dem tapferen Schneiderlein. Nur ganz anders. Sehr eindrucksvoll, sehr lustig, mimisch extrem ausdrucksstark und zur großen Begeisterung des Publikums. Letzterem war während des Festivals genau das anzumerken, was Hoffmann bereits erwähnt hatte: Die Freude darüber, dass „endlich wieder Kultur“ genossen werden kann.