Tafel: Stimmung abhängig von den Regalen

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Situation bei der Reutlinger Tafel spitzt sich weiter zu. Lebensmittelspenden werden dringend benötigt, weil die Zahl der Kunden ständig weitersteigt

Dienstag und Freitag sind besonders heftig. „An den beiden Tagen sind wir regelmäßig am Limit“, betont Karin Schenk, die zusammen mit Gisela Braun hauptamtlich die Geschicke der Reutlinger Tafel leitet. An die 150 Kunden sind an diesen Tagen schon gezählt worden. Im Vergleich zum vergangenen Jahr hat sich die Zahl mehr als verdoppelt. „Unsere Ehrenamtlichen sind gerade an diesen beiden Tagen am Limit“, betont Schenk. Gleichzeitig bestehe aber eine extrem große Bereitschaft der freiwilligen Helferinnen und Helfer, sich noch mehr einzubringen.

Schwierig sei die Situation in der Tafel aber auch deshalb, weil die Mengen der Lebensmittel von den Supermärkten und Discountern drastisch zurückgegangen sind. Woran das liegt? „Die Läden schauen selbst drauf, dass sie weniger wegwerfen“, sagt Braun. Hinzu kommt, dass die Landes- und Bundestafeln ebenfalls immer weniger Ware zu verteilen haben. „Wir haben die letzten Tage nur noch Pudding gekriegt, einmal drei Paletten voll“, so Braun. Am vergangenen Dienstag hingegen war das Brotregal fast komplett leer.

Froh sind Schenk und Braun, dass vor kurzem so viele Erntedankspenden von insgesamt 39 Kirchengemeinden eingegangen sind. Da kamen vor allem haltbare Lebensmittel, „das hat das Sortiment enorm erweitert“, so Schenk. Gleichzeitig liefen Tütenaktionen bei Rewe und Edeka, „wir sind für alle Spenden sehr dankbar“. Auch für einen Betrag von 5000 Euro, den Hans Joachim Nevelling anlässlich des 130jährigen Bestehens des City Hotels Fortuna Reutlingen gegeben hatte. Aber: „Das momentan große Angebot rettet uns über die nächsten drei Wochen, danach sieht es ganz schlecht aus“, betont Karin Schenk. Deshalb seien weitere Lebensmittelgaben dringend notwendig. Weil Geldspenden laut den Statuten der deutschen Tafeln nicht erlaubt sind, bittet die Reutlinger Tafel ausdrücklich vor allem um lang haltbare Lebensmittel. „Wir brauchen immer Nudeln, Mehl, Babywindeln in großen Größen, Reis, Zucker, Öl, Milchpulver für Babys“, sagt Braun.

Durch die große Anzahl der Kunden aus der Ukraine seien viele Rentner weggeblieben. „Die alten Menschen können einfach nicht drei Stunden draußen vor der Tür stehen“, sagt Gisela Braun. Die Wartezeiten hätten sich aufgrund des großen Andrangs extrem verlängert, hinzu komme, dass die Kunden draußen im Freien warten müssen. „Wir bräuchten dringend ein Dach, damit sich die Leute bei Regen wenigstens unterstellen könnten“, so Schenk. Doch das sei nicht in Sicht – ein Glück jedoch, dass die vergangenen Tage und Wochen extrem niederschlagsfrei waren.

Um die Situation zu entzerren, werde immer wieder gefordert, dass die Öffnungszeiten doch erweitert werden sollten. Das sei schon geschehen, „noch mehr ist nicht möglich“, betont Gisela Braun. „Wir haben ja jetzt schon das Problem, dass wir am Schluss der Öffnungszeiten oft kaum mehr Waren haben.“ Viele andere Tafeln hätten aufgrund des großen Andrangs und der fehlenden Lebensmittel schon Aufnahmestopps für weitere Kunden verhängt. „In Reutlingen versuchen wir das zu vermeiden, wir wollen niemand wegschicken“, so Braun.

Und die Stimmung unter den Kunden wie den Ehrenamtlichen? „Die hängt von den gefüllten Regalen ab“, sagt die Ehrenamtliche Doris Zeiner. Wie sie das meint? „Je voller die Regale sind, umso besser ist die Laune bei den Kunden – und auch bei den Ehrenamtlichen.“ Kein Wunder, wenn nämlich etwa einer Familie mit fünf Kindern nur vier Bananen zugestanden werden (damit andere Kunden auch noch was abbekommen), dann sorge das nicht gerade für gute Stimmung. Sondern manchmal auch für Unmut. Und zwar auf beiden Seiten. „Spenden für die Tafel selbst sind angesichts stark gestiegener Energiepreise und der allgemeinen Inflation willkommen“, sagt Dr. Joachim Rückle. „Im Winter werden die Kunden vermutlich nicht weniger, wir hoffen sehr, dass uns die verschiedenen Supermärkte und Discounter weiterhin genügend Lebensmittel weitergeben“, so der Geschäftsführer des Reutlinger Diakonieverbands.

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