Geliebt und gehasst – Autos

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Wie kann man nur über Autos schreiben? Über so was Unbedeutendes, Nebensächliches … wie beim Fahrrad oder bei den Füßen geht es bei Autos doch einzig darum von A nach B … bei vielen Deutschen aber scheint das anders zu sein, sie reden von ihrem Heiligsblechle, polieren stundenlang ihre Karosse und lieben ihr Auto manches Mal mehr als die eigene Frau.

Ein Aufreger auch die Tageszeitungen, in denen mindestens einmal die Woche eine ganze Seite unter der Überschrift „Mobile Welt“ sich mit nichts anderem befasst als mit Autos. Dicken Autos. Schnellen Autos. Sportwagen. Also mit Autos, von denen vermeintlich alle Deutschen träumen. Oder zumindest der männliche Teil der Bevölkerung. In allen Altersschichten. Hauptsache dick. Sportlich. Laut. Also die Autos. Hinzu kommt, dass junge (männliche) Migranten in zweiter, dritter oder vierter Generation genau das glauben: Dass sie in Deutschland angekommen sind, wenn sie ein möglichst großes Auto fahren. Wenn sie röhrend durch die Innenstädte brettern. Getreu dem Motto: Schaut her, ich hab’s geschafft. Ich fahre ein dickes, röhrendes Auto. Ältere Passanten lassen die Fahrer jedoch nahezu mit einem Herzinfarkt zurück, wenn neben ihnen an der Ampel plötzlich ein panzerähnliches Gefährt mit quietschenden Reifen und brachialem Getöse schwarze Streifen auf dem Asphalt produzieren. Und ein schrilles Pfeifen in den Gehörgängen der Fußgänger zurücklassen.

Ach ja. Stundenlang könnte ich über Autos reden. Meine Frau noch länger. „Was braucht man so ein dickes Auto in der Stadt, einen Offroader, einen Allrader? Weil man sonst die Auffahrten von einem Parkdeck zum nächsten in einem Parkhaus nicht hochkommt? Und der Winter hier so lang und andauernd ist? Dabei brauchen die SUVs immer zwei Parkplätze und viel mehr Sprit“, sagt Bine öfter mal … und zwar mit gesteigerten Emotionen und erhöhtem Blutdruck. „Und dann müssen die Fahrer beim Einparken fünfmal rangieren, bis sie in eine Parklücke reinkommen, die für drei normale Autos reicht“, sagt sie immer mal wieder. Sie als Radfahrerin fühle sich eh schon immer von den SUVs bedroht und zumindest mental von der Straße gedrängt. Und überhaupt. Zahlen sollten alle Autos für den Parkraum, den sie belegen. Und SUVs noch viel mehr. Weil die ja auch viel breiter und länger sind … Natürlich sind auch wir nicht von dem Problem der fehlenden Stellplätze befreit: Auch bei uns an der Straße ist abends kein Stellplatz mehr zu finden. Doch welche Straße betrifft das nicht? Bei uns kommt noch die Raserei dazu. Am liebsten hätte Bine aus der Bretagne ein paar von den Schwellen mitgenommen, die in jedem kleineren Ort die Straße zieren. Und die jedem tiefergelegten Fahrzeug zum Verhängnis … oder mindestens zum Verlust des Auspuffs führen würde. Ein schadenfrohes Grinsen können wir uns beide bei dem Gedanken nicht verkneifen. Die Schwellen würde Bine am liebsten hier am Beginn der Schnellstraße in Richtung Metzingen anbringen. Tolle Idee … eigentlich. Ich wäre ja eher für eine Fallgrube – wer mit mehr als 140 Kilometern durchrast, zack, Fallgrube auf, Auto weg. Aber leider wohl auch nicht durchführbar.

Und wie geht’s weiter? Wenn jetzt die Spaßverbotspartei der Grünen an der neuen Regierung beteiligt sein wird … die aber dann von der Autofahrerpartei der FDP gleich wieder mit satten 200 Sachen rechts überholt und ausgebremst wird … das Tempolimit ist in den Vorverhandlungen zwischen Grün und Gelb ja wohl schon gekippt. Und die SPD? Die freut sich über die Ampel, die – so wie bisher auch – wohl niemanden ausbremsen wird. Oder doch? Zumindest Andi Scheuer wird – was für ein Glück – nicht mehr Bundesverkehrsminister sein. Auf jeden Fall kann im Rückblick niemand behaupten, dass die Wahl nicht extrem spannend war. Auch weil dieses Ergebnis kein Mensch so erwartet hatte. Und der Ausgang für fast alle enttäuschend war. Außer für die Roten und die Liberalen. Für die CDU eine totale Katastrophe. Für die Linken noch mehr. Dass die dann trotz Verfehlens der 5-Prozent-Hürde trotzdem im Bundestag mit knapp 40 Abgeordneten vertreten sein wird, versteht eh kaum jemand. Ebenso wenig wie die Behauptung von Armin Laschet kurz nach der Wahl, dass ein Flug nach Jamaika nun die optimale Lösung sein könnte … ach ja, die optimale Lösung. Für wen? Für die Industrie? Für die Umweltbewegung? Für die gesamte Bevölkerung? Für welche denn? Für die „Querdenker“? Die Masken- und/oder Impfverweigerer? Oder für die SUV-Fahrer? … Oh Mist, schon wieder das Thema Autos. Naja. Wir selbst sind ja auch Teil des Problems. Auch wir haben ein Auto. Zwar ein kleines. Mit Erdgas. Aber ein Auto. Und so ganz drauf verzichten … Teilauto … wäre theoretisch möglich. Das wäre eine Herausforderung. Aber die Bequemlichkeit. Ach, herrje, wo soll das nur enden? Ich glaub, ich ruf mal meinen Freund Andi an. Andi Scheuer. Der braucht jetzt bestimmt Trost. Obwohl. Irgendein Job in der Autoindustrie wartet bestimmt schon auf ihn.

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