Über Menschen und Schicksale – Integrationsbeauftragte beim Ökumenischen Echaztreff

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Pfullinger Integrationsbeauftragte Nana Mamphoria stellt ihre Arbeit beim Ökumenischen Seniorennachmittag vor

„Wer hat denn selbst einen Krieg erlebt“, fragte Dekan Hermann Friedl am Donnerstagnachmittag in die Runde der etwa 80 Anwesenden beim Ökumenischen Echaz-Treff im Evangelischen Paul-Gerhardt-Haus. Eine erstaunlich große Zahl an Armen ging in die Höhe. Eine Zahl, die verdeutlichte, dass Krieg, Vertreibung und Flucht gar nicht so weit weg sind, wie die meisten Menschen annehmen.

Krieg haben aber auch in den heutigen Zeiten viele Menschen erlebt. Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, viele aus der Ukraine. In der Stadt Pfullingen waren es zum Ende des vergangenen Jahres 182 von insgesamt 474 Geflüchteten, die hier Zuflucht gesucht haben. Das berichtete Nana Mamphoria als Integrationsbeauftragte der Stadt am Donnerstagnachmittag.

„Heute ist der Welt-Flüchtlingstag“, hatte Dekan Friedl während des ökumenischen Seniorennachmittags berichtet. Ein guter Anlass also, um eine Fachfrau vor Ort zu haben, die ganz konkret über ihre Arbeit berichten konnte. Und über ihre eigenen Erfahrungen mit dem Ankommen in einem fremden Land.

21 Jahre jung war Mamphoria als sie nach Deutschland ging. Sie sei nicht geflüchtet, habe sich vorbereitet, in Georgien deshalb sogar Germanistik studiert. Aber sie hatte in ihrer einstigen Heimat Krieg erlebt. Als Kind, gerade mal sechs Jahre war sie alt. Und sie kennt die Situation sehr genau, in ein fremdes Land zu kommen, in dem man die Strukturen nicht kennt.

„Wenn ich mir vorstelle, dass mein Vater heute in ein fremdes Land käme und müsste die Sprache ganz neu lernen“, sagte Nana Mamphoria. Nach China gehen und von Grund auf Chinesisch lernen? Schwierig. Ganz schwierig. Für viele Flüchtlinge, die heute nach Deutschland kommen, ist es ebenso schwierig.

Krisen gebe es laut Friedl genug. Krieg in der Ukraine, im Gazastreifen, in vielen anderen Ländern der Welt. Dazu der Klimawandel. „Immer mehr Menschen müssen aus ihrer Heimat fliehen“, so der Dekan. „Ich bin froh über die Arbeit, die ich mache“, sagte Nana Mamphoria. Froh sei sie auch über ihr Team – alle vier haben einen Migrationshintergrund. Alle kennen sich persönlich aus mit den Problemen, auf die man als fremder Mensch in einem fremden Land trifft.

Wie funktioniert das mit der Kinderbetreuung, mit der Schule für die Kinder? „Fast immer geht es beim Ankommen hier in Pfullingen um Spracherwerb, um Arbeit und um eine eigene Wohnung“, sagte die Integrationsbeauftragte. Das Thema Wohnen sei richtig schwierig, „ich selbst suche seit zwei Jahren eine Mietwohnung und finde nichts“, sagte Mamphoria.

Viele Familien, die hier ankommen, müssen zunächst in einem Zimmer leben. Drei bis vier Personen, mit zwei anderen Familien in einer Dreizimmerwohnung. Mit einem Bad, einer Küche. „Da sind Konflikte vorprogrammiert.“ Und wie sei das mit dem Vorurteil, dass Geflüchtete nicht arbeiten wollen? „Keiner möchte in der Lage sein und ständig seine Kontoauszüge prüfen zu lassen, ob man unrechtmäßig Geld ausgegeben hat.“

Fast alle Geflüchteten wollen arbeiten, sagte Mamphoria. Oftmals scheitere es an den Sprachkenntnissen. „Wir beraten und begleiten die Menschen, versuchen, die richtigen Ansprechpartner zu vermitteln.“ Aber alles können die vier Mitarbeiter aus dem Team der Integrationsbeauftragten nicht leisten. Deshalb gebe es zahlreiche ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.

Wie etwa im Pfullinger Sprachcafé, beim Frauentreff mit Kinderbetreuung, bei Deutschkursen für Grundschulkinder – „wir haben viele Ideen, aber zu wenige Ehrenamtliche“, warb Mamphoria. Helferinnen und Helfer könnten sich bei ihr melden, sich einfach mal ausprobieren. Meist sei es gut, wenn sie einfach nur da sind, betonte Nana Mamphoria, bevor Dekan Friedl betonte: „Toll, dass es solche Menschen wie Sie gibt.“

Danach berichtete eine 85jährige Pfullingerin von ihren eigenen Kriegserlebnissen. Sechs Jahre alt war sie damals. Die Russen hatten die Mutter verschleppt, sie musste fünf Jahre in einem Bergwerk arbeiten, kam ohne Zähne, körperlich und psychisch am Ende zurück. „Heute bin ich froh – Danke Deutschland“, sagte die Frau. „Menschen und Schicksale“, resümierte Hermann Friedl nachdenklich und ergriffen.

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