Seit 40 Jahren feiert der „Verein für angewandte Lebensfreude“ ein traditionelles „Kickfeschd“ – ein Hobby-Turnier, das Sport, Konzerte und Feiern miteinander verbindet
Auch wenn Christian Keller schmunzelte und er betonte: „Das sagen die Journalisten immer wieder.“ Aber der Zeltplatz beim Schützenhaus von Meidelstetten hat ja auch tatsächlich einen Hauch von der Atmosphäre von Woodstock. An einem der ersten Zelte auf dem improvisierten Campingplatz wehte eine Che-Guevara-Fahne. Zudem war auch der ein oder andere ergraute langhaarige und langbärtige Althippie dort zu sehen.
Es fanden sich aber auch jede Menge jüngerer Gäste, viele Familien mit kleinen Kindern, die womöglich der Nachwuchs für die nächste Generation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Meidelstettener „Kickfeschd“ waren. Denn auch bei den Veranstalterinnen und Veranstaltern war am Wochenende bereits klar: „Hier ist schon die dritte Generation am Werk“, so Christian Keller. Erneut war aber auch nahezu ein ganzes Dorf beteiligt – viele, eigentlich fast alle, aus Meidelstetten wirkten irgendwie mit bei diesem Riesenevent. Durch Kuchen-backen, in der Zelt-Küche, beim Aufbauen, Abbauen, als Linienrichter oder auch beim Einweisen der Autos.
Hinter all dem aber steht eine Institution, der „Verein für angewandte Lebensfreude“. Der wurde 1986 gegründet, „um dem Fußballturnier und das damit verbundene Fest einen rechtlichen Rahmen zu geben“, so Keller, der heutige Vereinsvorsitzende. Oder anders ausgedrückt: Die Gelder, die damals eingenommen wurden, sollten für einen oder mehrere gute Zwecke gespendet werden. Damit alles seine Richtigkeit hatte, brauchte es die Struktur eines Vereins.
Und dieses Jahr? „Das ist das 39. Kickfeschd, weil es wegen Corona ja zweimal ausfallen musste“, so Keller. So wie schon immer waren es genau 40 Hobby-Teams, die sich auf dem Gelände beim Meidelstetter Schützenhaus eingefunden hatten. Es sind im Prinzip jedes Jahr die gleichen Teams – nur wenn das ein oder andere mal absagt, rücken andere Interessierte nach. Mehr als 40 sollen es aber nicht werden.
„Und gespielt wird nach den Deutschen Kleinfeldturnier-Regeln“, sagte Keller. Schließlich müsse ja alles seine Ordnung und Richtigkeit haben. Nicht dass sich im Nachhinein jemand beschweren könnte. „Bei uns wird alles weitgehend basisdemokratisch geregelt“, so Keller. Nur das mit den Konzerten nicht – dafür gibt es eine eigene Vorbereitungsgruppe. Die hatte sich dieses Jahr für Skarbone14 entschieden, eine belgische Ska-Band, die den Freitagabend gestaltete.
Vom ersten Ton an war sofort klar: Hier ist Party angesagt, das ist Gute-Laune-Musik, die ohne Umwege sofort in die Füße geht. Mit viel Gebläse, also mit Trompete, Saxophon und Posaune, brachte die Band, die zum ersten Mal in Deutschland war, das Zelt zum Schwofen und Hüpfen. Sie spielten Ska, Reggae und Rock, dass bei der Lautstärke keiner den Gesang verstand, spielte keine Rolle. Mit einer Ausnahme: „Always take a look on the bright side of life“ konnten alle mitsingen. Und für eine Polonaise brauchte niemand einen Text.
Am Samstagabend heizten beim „Kickfeschd“ Wisecräcker und Tumult ein. „Die Gäste vom Kickfeschd legen die unterschiedlichsten Schwerpunkte – die einen wollen unbedingt den Pokal, die anderen konzentrieren sich mehr auf das Feiern“, schmunzelte der Kenner Keller. Ob dann die sportliche Leistung beim Kicken am nächsten Morgen noch ausreichte? Nicht unbedingt.
Doch zurück zum Wesentlichen – wenn es das beim Kickfeschd gibt: 40 Teams kämpften also am Wochenende mehr oder weniger ernsthaft um den Pokal. Teamnamen wie „Kommando Horst Hrubesch“ oder „Bunte Hunde“ gaben Anlass zum Schmunzeln. Genauso wie „Irgendwelche Idioten“ oder „Die Unschuld vom Lande“. Dass es den Kickenden mit dem Fußballspielen nicht ernst war, konnte man daraus aber nicht unbedingt ableiten.
Wie auch Uli Högel, der schon seit 39 Jahren dabei ist, betonte: „Es kommt immer mal wieder vor, dass sich die ein oder andere Mannschaft einen Torwart ausleiht.“ Egal, ob Spieler, Spielerin, Torwart, Torfrau oder auch Besucher und Besucherin – manche kamen recht exotisch daher: Die einen spielten im weißen Hemd mit schwarzer Krawatte, andere mit gebatikten Shirts. Und egal, wer gewonnen hat – eines ist sicher: Auch im kommenden, dem 40. Jubiläumsjahr, werden es mit Sicherheit wieder 40 Teams sein. Wie die dann heißen, ist vielleicht nebensächlich. Denn: Auch dann wird wieder die Che-Guevara-Fahne wieder über dem Zeltplatz wehen. Und damit auch ein Hauch von Woodstock.