Gastronomie mit sozialer Verantwortung – Reutlinger S-Haus wird 25 Jahre alt

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(Foto oben: Wolfgang Kuhn (von links), Achim Scherzinger und Winfried Hörmann engagieren sich im Reutlinger S-Haus im Vorstand und darüber hinaus.)

Das Reutlinger S-Haus (vormals „Lobbyrestaurant Unter den Leuten“) feiert 25jähriges Bestehen – Ein Ort des sozialen Miteinanders

„Das Demokratieverständnis geht bei uns nicht verloren“, betont Achim Scherzinger als Vorstandsvorsitzender des Reutlinger Bürgertreffs Unter den Leuten. Der Verein war und ist auch heute noch der Träger des S-Hauses in der Rommelsbacher Straße 1. In dem besonderen Restaurant werde Demokratie gelebt, das soziale Miteinander gefördert und gepflegt, „das ist Voraussetzung bei uns“, bekräftigen auch Winfried Hörmann und Wolfgang Kuhn als Teil der ehrenamtlich enorm engagierten Truppe im S-Haus.

Die ersten Anfänge des Restaurants gehen auf den November 1997 zurück. In der Metzgerstraße bei Elvira Laraia wurde eine Koordinationsstelle für ehrenamtliches Engagement geschaffen. „Es kamen Leute, die gerne auch einen Kaffee getrunken und ein bezahlbares Mittagessen gehabt hätten.“ Bei den folgenden Überlegungen war die Reutlinger Vesperkirche „Dreh- und Angelpunkt für uns alle“, erinnert sich Scherzinger. Zusammen mit dem Arbeitskreis Vesperkirche, der Stadtverwaltung, der Liga der freien Wohlfahrtspflege und dem Bürgerbüro wurde überlegt und nach Lösungen gesucht.

„Wir haben damals eine Skizze für das Lobbyrestaurant entworfen“, sagt Scherzinger, neben dem Günter Klinger (vom Diakonieverband) und Gisela Steinhilber (von der AWO), Ide Schneider (vom Kreisseniorenrat) und Gerd Pflumm (Sozialamtsleiter der Stadt) maßgebliche Treiber der Idee eines sozialen Restaurants waren. Von Anfang an sollte der Betrieb durch Ehrenamtliche gestemmt werden – was aber auch hieß, dass ein Caterer das Essen liefern musste.

Gleichzeitig habe die Stadtverwaltung nach einer neuen Nutzung für das Pflegeheim in der Rommelsbacher Straße 1 gesucht. „Wir waren ein gewünschtes Vorzeigeprojekt für die Stadt“, sagt Achim Scherzinger. Im April 2000 sollten die Engagierten loslegen, „das war überraschend schnell“, denn: „Da war der Trägerverein noch gar nicht gegründet“, so der heutige Bürgertreff-Vorsitzende. Hurtig wurde ein Kooperationsvertrag zwischen Kreisseniorenrat und AWO gezimmert, „das hat dann sehr gut geklappt“. Am 8. März 2001 wurde der Trägerverein im Vereinsregister eingetragen und übernahm die Restaurantleitung.

(Foto: So sah im September 2008 ein Küchenteam im Lobbyrestaurant UdL aus.)

Über 16 Jahre hinweg wurde das Lobbyrestaurant rein ehrenamtlich gestemmt, zwei oder drei Caterer lieferten das Essen. „Dann haben wir im gastronomischen Bereich ganz viel über Regulierung und Kontrolle lernen müssen“, sagt Scherzinger und spricht damit den Wirtschaftskontrolldienst sowie grassierende Bürokratie an. „Ohne eine hauptamtliche Kraft konnten wir nicht weitermachen, wir mussten den Betrieb professionalisieren.“ Mit Petra Wagner wurde eine Fachkraft eingestellt.

Aber: „Ohne die Unterstützung der Lechler-Stiftung wäre all das nicht möglich gewesen“, sagt Wolfgang Kuhn, der seit 2017 der Finanzchef im Bürgertreff ist. Das jährlich auftretende Defizit wurde durch die Fördermittel der Stiftung ausgeglichen. „Und dann kam Corona“, so Kuhn. Zwei Alternativen habe es gegeben, „schließen oder selbst kochen“. Täglich wurden dann bis zu 100 Essen gekocht und „to go“ über die Theke gereicht.

(Foto: Zum zehnten Geburtstag kamen im Oktober 2010 Achim Scherzinger und Elvira Laraia (rechts) als langjährige Vorsitzende des Bürgertreffs UdL zusammen.)

Seitdem ist selbst-kochen im S-Haus selbstverständlich. Auf Wagner folgte Deborah Roscini als hauptamtliche Kraft. „Wir versorgen Bedürftige aber nicht nur mit günstigem Essen in angenehmem Ambiente, wir sorgen hier als Quartierstreff auch für Begegnung“, so Scherzinger. Kultur und Veranstaltungen werden geboten, mit Kunst an den Wänden, mit Vernissagen, Lesungen, kleinen Konzerten und mehr. Die Räume sind gewachsen, das AWO-Büro kam hinzu – Anmietungen für private Feiern sind möglich.

2017 wurden laut Kuhn rund 25 Essen täglich ausgegeben. „Heute sind es durchschnittlich 39, manchmal sogar bis zu 69.“ Rund 20 Prozent Solidaresser sind dabei, die einen höheren Preis zahlen – auch die Zahl ist gestiegen. „Das zeigt doch, dass das Angebot erhalten bleiben muss“, sagt Kuhn. Glücklich schätzt sich Scherzinger über den jährlichen Zuschuss durch die Stadt, aber der reicht nicht aus.

„Wir müssen Fundraising betreiben“, sagt Winfried Hörmann. Dafür ist er genau der richtige. Er ist Teil der rund 40 ehrenamtlich Aktiven, er kümmert sich um Sonderaktionen wie zu Weihnachten, er entwirft Förderlabel und denkt sich andere Marketingstrategien aus. „Wir bieten maximale Flexibilität“, sagt Achim Scherzinger. Alle Ehrenamtliche finden nach den Worten des Vorsitzenden mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und Zeitwünschen ihren jeweiligen Platz.

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