Freundschaft und aufbrechende Gefühle – Lesung in der Pfullinger Neske-Bibliothek

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Felicitas Vogel las in der Pfullinger Neske-Bibliothek aus dem Buch „Der Kanzler und der General“ über die Anfänge der deutsch-französischen Freundschaft

 Die Feier zum 40. Geburtstag der Städtepartnerschaft zwischen Pfullingen und Passy klang noch nach, da hatte Felicitas Vogel am vergangenen Sonntag in die Neske-Bibliothek eingeladen. Sie wollte dort aus dem im Neske-Verlag erschienenen Buch „Der Kanzler und der General“ zitieren. Das Buch stammt von Hermann Kusterer, dem Dolmetscher, der bei dem ersten Aufeinandertreffen von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer auf deutschem Boden die Konversation übersetzt hatte.

Am 4. September 1962 kam de Gaulle nach Bonn zum Staatsbesuch, die Voraussetzungen waren nach dem Weltkrieg zu Beginn der 60er Jahre nicht die besten, wie Vogel ausführte: „Die alten Feindschaften standen immer noch im Raum, Europa sollte neu geordnet werden, mit oder ohne die  Schutzmacht USA, der Antikommunismus war von großer Bedeutung, am 13. August 1961 wurde die Mauer gebaut, Kubakrise, Algerienkrieg – und dann kam de Gaulle mit dem Vorstoß, einen Freundschaftsvertrag zwischen Frankreich und dem „Erbfeind“ Deutschland zu schließen.

Dabei habe es auf beiden Seiten auch deutlich andere Ansichten über de Gaulles Vorgehen gegeben, eine Annäherung wurde nicht von allen gutgeheißen. Allerdings bereitete das deutsche Volk Charles de Gaulle in allen Städten, die er besuchte, einen triumphalen Empfang, wie Kusterer berichtete. Bonn, Köln, Düsseldorf, selbst im vermeintlich unterkühlten Hamburg, „in der anglophilen Höhle des Löwen“, so Vogel, traf der Franzose auf riesige Begeisterung.

Der ehemalige General kam bei seiner Deutschland im Übrigen auch nach Stuttgart und selbst nach Münsingen auf den Truppenübungsplatz. In Ludwigsburg hielt de Gaulle eine vielbeachtete Rede vor 20.000 Jugendlichen. „Ich beglückwünsche Sie, jung zu sein“, habe der französische Staatspräsident gesagt. Er lobte die jungen Deutschen als „Kinder eines großen Volkes“, forderte sie auf, „streben Sie danach, dass der Fortschritt dem Gemeinwohl und dem Guten diene“.

Am 22. Januar 1963 wurde der Freundschaftsvertrag, der „Elysée-Vertrag“, schließlich von beiden Seiten unterzeichnet – allerdings sei zuvor noch eine Präambel hinzugefügt worden, die de Gaulle überhaupt nicht gefallen habe: Darin seien die sehr engen Verbindungen zu den USA, der NATO und Großbritannien hervorgehoben worden. „Juristisch galt der Vertrag als inhaltsleer“, so Felicitas Vogel am Sonntagnachmittag. Der Vertrag sei „halbtot und ein Fehlstart“ gewesen, wie die Bundeszentrale für politische Bildung heute schreibt.

Die Erinnerungen an die damalige Zeit wühlte aber an diesem Sonntagnachmittag in der Neske-Bibliothek ganz offensichtlich viele Erinnerungen und auch Gefühle auf. Sein Großvater sei in Verdun gewesen, berichtete ein Besucher der Lesung. Tränen kamen, die Stimme versagte. „Es ist so schön, dass wir uns heute begegnen können“, sagte der gebürtige Franzose weiter. Sein Vater habe allerdings die besten Kunden verloren, als der Sohn eine Deutsche geheiratet hatte.

Und einige der Besucher erinnerten sich zudem an die ersten eigenen Besuche in Frankreich, als sie noch sehr abwertend und feindlich als „Boche“ bezeichnet wurden. „Wie gut, dass solche Zeiten vorbei sind, wir können uns freuen, dass die deutsch-französische Freundschaft so weit gediehen ist“, sagte Felicitas Vogel. Ein ebenfalls französischstämmiger Gast mahnte aber auch: „Die Arbeit der Städtepartnerschaften muss weitergehen, wenn heute auch anders als damals.“

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