„KI in der Sozialen Arbeit?“ – Fachtag des Vereins für Sozialpsychiatrie (vsp) lockte viel Fachpublikum in die Reutlinger VHS
Warum bietet der Verein für Sozialpsychiatrie (vsp) in Reutlingen einen Fachtag zum Thema „Mensch und Maschine? Soziale Arbeit im Zeitalter künstlicher Intelligenz“ an? Ist Sozialarbeit womöglich durch Künstliche Intelligenz ersetzbar? „KI ist ja bereits Teil unseres Arbeitsalltags, wir müssen uns dem Thema stellen“, sagte Marilena Geckeler aus der vsp-Geschäftsführung am Freitag kurz vor Beginn der Veranstaltung in der Reutlinger VHS.
Rund 100 Personen waren gekommen, das Interesse an der öffentlichen Veranstaltung war groß – und das nicht allein unter vsp-Beschäftigten, sondern auch bei einigen Kooperationspartnern. Geckeler und der vsp würden sich der Frage stellen, wie KI die Soziale Arbeit auch im psychiatrischen Bereich entlasten kann. „Dabei tauchen aber natürlich auch immer datenschutzrechtliche Fragen auf“, sagte die Geschäftsführerin.
Wie und was KI den Beschäftigten abnehmen kann, wie künstliche Intelligenz tatsächlich entlasten kann – dafür war das Startup „sozial KI“ aus Heilbronn eingeladen worden. Theo Schöwitz, Niclas Höhl und Philipp Engelsberg hatte allesamt den Masterstudiengang „Digitalisierte Sozialarbeit“ absolviert und im Mai ihre eigene Firma gegründet. „Wenn KI auch im psychiatrischen Bereich richtig angewendet wird, kann sie durchaus eine Entlastung sein“, so Schöwitz.
Inwiefern? „KI kann Schreibaufgaben übernehmen, Dokumentationen erstellen etwa von Klientengesprächen, Berichte vorformulieren“, erläuterte Höhl. Das sei heute beileibe kein Hexenwerk mehr, alle Beschäftigten im Sozialen, auch in der Pflege könnten durch die Dokumentationspflicht, die KI übernehmen würde, entlastet werden.
Allerdings gelte es dabei auch, die bestehenden Gefahren zu beachten, betonte Schöwitz. Wenn etwa mit ChatGPT (von dem amerikanischen Unternehmen open AI) Patientengespräche aufgezeichnet und dokumentiert würden, dann „muss beachtet werden, wo die Daten hinfließen“, so Höhl. Ohne Kontrolle würden nämlich diese Daten direkt in die USA fließen. Und wenn darin stehe, dass eine Person psychisch erkrankt sei, könne es passieren, dass ihr die Einreise in die USA verweigert würde.
In einem Workshop sollten die Teilnehmer des Fachtags zur KI am Freitag selbst Erfahrungen machen – wie einfach es sein könne, die bürokratische Arbeit zu verringern. „Es gilt natürlich immer, die Chancen und die Risiken abzuwägen“, so Schöwitz. Allerdings gehe es auch darum, „die Technik zu entmystifizeren“, sagte Höhl. „KI ist keine Gottheit, sie birgt super viel Potenzial, aber auch Gefahren.“ Letztendlich handle es sich bei einer Intelligenz wie ChatGTP um Algorithmen – die immer noch nicht fähig sei, menschliche Zusammenhänge zu verstehen.
Außerdem gebe es auch europäische Alternativen zu dem amerikanischen Modell, in Frankreich etwa – damit die Daten zumindest in Europa bleiben. Das chinesische Modell namens „deep seek“ sei auch nicht zu empfehlen: „Wenn Sie deep seek zu den fünf größten Problemen in Deutschland befragen, erhalten Sie detaillierte Ausführungen“, sagte Schöwitz. „Fragen Sie allerdings nach Problemen in China, überschlägt sich das Programm quasi vor Lob.“
Das Trio „sozial KI“, das in Berlin, Stuttgart und Heilbronn lebt, will mit seinem Wissen soziale Einrichtungen bei der Installation und Entwicklung von KI unterstützen. Begleiten und unterstützen kann auch Karin Kießling Organisationen – und zwar mit ihrer Firma „context yellows“ bei der Entwicklung und bei der Personalgewinnung. Kießling hatte im Übrigen den Studiengang in Heilbronn auf die Füße gestellt, aus dem „sozial KI“ hervorging.
„Bei Einführung von KI in Unternehmen spielt die Führung eine große Rolle“, sagte die Fachfrau am Freitag. Dabei gehe es um Teamwork, darum, wie Entscheidungen getroffen werden, „wie agil eine Organisation ist, wie Beschäftigte mitgenommen werden“. Nachvollziehbar, dass dabei der Gedanke „Der Fisch stinkt vom Kopf her“ im Gehirn auftaucht? Kießling nickt.
Bei der KI-Einführung gehe es natürlich auch um die Ängste der Beschäftigten, um vermeintliche Überwachung und Kontrolle. „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen mitgenommen werden“, forderte die studierte Organisationsentwicklerin und Sozialarbeiterin. Auch Geckeler hatte in der Einleitung zu dem Fachtag bereits Befürchtungen geäußert: „Wird die Soziale Arbeit durch KI immer unpersönlicher oder werden Beschäftigte irgendwann sogar ersetzt?“ Eindeutig Nein, sagten die Fachleute von „sozial KI“ und „context yellows“ – Künstliche Intelligenz könne eine deutliche Entlastung sein. Aber es müssten einige Dinge beachtet werden.