Brutalste Auswirkungen des Pflegenotstands – Amtsgericht Reutlingen verurteilt „Pfleger“ zu 2,5 Jahren Haft

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36jähriger rumänischer Pfleger misshandelt und verletzt 88jährigen Reutlinger schwer – 2,5 Jahre Haft als Quittung vom Amtsgericht

Reutlinger Amtsgericht am Freitagnachmittag: Angeklagt war ein 36jähriger Pfleger, von dem nicht bekannt war, ob er irgendeine Vorbildung im Pflegebereich besaß. Nicht viel mehr als eine Woche war er bei einem alten Ehepaar in Reutlingen, er sollte sich vor allem um die schwer demenzkranke Frau kümmern. Doch der 88jährige Ehemann lebte mit in der Wohnung. Von Anfang an muss es zwischen dem Pfleger und dem Alten geknallt haben – der Rumäne habe den alten Mann mit Fäusten und Gürtel bedroht.

Am 25. November 2024 rief der 88-Jährige die Polizei. Kurz darauf hatte der 36-Jährige per WhatsApp seiner Mutter in Rumänien geschrieben: „Der Opa macht Karneval im Haus, ich habe Angst, dass ich ihm was Schweres antue.“ Die Mutter versuchte, zu beschwichtigen, „tu nichts“, schrieb sie zurück. Doch der Sohn hatte sich offensichtlich nicht im Griff, nachdem die Polizei wieder weg war, schubste er den Alten aus Rache, schlug ihn brutal, misshandelte ihn. Mit der Folge von zahlreichen Verletzungen.

Die waren zwar nicht lebensgefährlich, müssen aber sehr schmerzhaft gewesen sein: Mehrere Rippenbrüche hatte der 88-Jährige davongetragen. Eine große Vielzahl an Hämatomen im Gesicht, am gesamten Oberkörper, dazu eine Schnittwunde an einer Hand, eine Platzwunde am Kopf. Außerdem ist er mehrfach gewürgt worden, bis zu 14 Sekunden lang. Mehr als acht Wochen war der alte Mann im Krankenhaus, ist ebenso wie seine Frau nun in einem Pflegeheim.

Woher das Gericht über die Tat alles so genau wusste? Der Rumäne hatte sein Vorgehen mit dem Handy gefilmt. Mehr als 20 Minuten lang. Der Film wurde am Freitag im Gerichtssaal über den einzigen im Gebäude funktionierenden Bildschirm gezeigt. Unerträglich, fast nicht auszuhalten waren die Szenen, die dort zu sehen waren. Immer wieder stieß der 36-Jährige den alten Mann zu Boden. Fast noch schlimmer war aber der Hohn, das Lachen des Pflegers, die Erniedrigung. „Ich weiß, dass du stärker bist, lass mich in Ruhe“, rief der alte Mann immer wieder.

Während der Film gezeigt wurde hielt sich der Pfleger im Gerichtssaal die Ohren zu, stützte seinen Kopf in die Hände. Wollte er damit Reue signalisieren? Bestürzung über das eigene Verhalten? Schwer zu glauben. Eine Frau von der Pflegeagentur, über die der Rumäne an das Ehepaar vermittelt wurde, sagte am Freitag als Zeugin aus.

Bei zwei vorherigen Pflegestellen habe es schon Beanstandungen gegeben, sagte die Frau. „Die Arbeit mit ihm hat nicht funktioniert.“ Warum aber wurde er dann weiter vermittelt? „Wir haben Pflegenotstand, wir können nicht wählerisch sein“, sagte die Zeugin. „Wir wissen fast nichts über die Leute, die uns von Partneragenturen in den jeweiligen Ländern vermittelt werden.“

Von der Polizei erfuhren die Prozessbeteiligten am Freitag allerdings auch ein wenig über die andere Seite – eine Polizistin berichtete, dass sie am 25. November 2024 noch vor der Tat versucht hätten, „die Töchter mit ins Boot zu holen“. Doch beide hätten gesagt, sie haben keine Zeit, vor Ort zu erscheinen. Der Vater sei jähzornig, er habe schon fünf Vollzeit-Pflegerinnen vertrieben. Als sich die Polizei weiter mit dem Pfleger beschäftigte, habe der sich dann „schnippisch, überheblich, abwertend“ über den 88-Jährigen geäußert. „Als ich den Pfleger fragte, wie er denn angestellt sei, wurde er unkooperativ und herablassend“, sagte die Polizistin.

Der WhatsApp-Kontakt zur Mutter des Pflegers offenbarte zusätzlich zum Video den folgenden gesamten Tatverlauf. „Scheiß auf den Alten, da unten ist alles voller Blut, ich bin maximal genervt, weil der die Polizei gerufen hat“, hatte er geschrieben. „Versuch, den Boden mit Chlor zu reinigen, lass den Mann beim Teufel, er ist verrückt“, kam die Antwort der Mutter zurück.

Das Amtsgericht verurteilte den vermeintlichen Pfleger zu einer 2,5jährigen Haftstrafe. „Wir haben überlegt, ob es eine höhere Strafe braucht“, sagte Richter Eberhard Hausch. Aber: „Wenn er aus dem Gefängnis rauskommt, wird ihn kaum mehr jemand einstellen.“ Nach so einem Prozess würden allerdings manche „Fragezeichen zurückbleiben“, so Hausch. Etwa: Warum der Angeklagte seine Tat gefilmt hatte. Oder warum solche offensichtlich unqualifizierten Menschen überhaupt in der Pflege tätig werden dürfen. Ohne Führungszeugnisse, ohne Qualifikationsnachweise, ohne Kontrolle.

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