Rechte Gruppierungen, Gegendemonstranten und Polizei „spielen“ in Reutlingen Katz und Maus

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(Foto oben: Kurz nach Beginn der Demonstrationen hatte die Polizei die Aktiven der Antifa direkt neben der Stadthalle eingekesselt.)

Mehr als 1.100 Menschen demonstrieren in Reutlingen „Gemeinsam für Deutschland“ und gegen Rechtsextremisten

Deutschlandfahnen und Friedenstauben auf blauem Grund dominierten am Samstag auf den Bösmannsäckern die Demonstration von „Gemeinsam gegen Deutschland“. Dabei handle es sich laut Landes-Innenministerium um „eine deutschlandweite Veranstaltungsreihe mit Anknüpfungspunkten für extremistische und nicht-extremistische Akteure“. Die Polizei spricht laut SWR vom „rechten Spektrum“, auch Reste der Corona-Leugner- und „Querdenken“-Bewegung sollen sich dahinter verbergen.

Für die Reutlinger Gewerkschaften, Linke, Grüne, Bündnis für Menschenrechte, Omas gegen Rechts, Antifa und weitere Gruppierungen war das am Samstagmittag Anlass genug, um die Initiative am geplanten Weg durch die Stadt zu hindern. „Wir hoffen, dass es granatenmäßig regnet über den Bösmannsäckern“, rief Kai Lamparter als 2. Bevollmächtigter der IG Metall den mehr als 600 Gegendemonstrierenden im Bürgerpark zu. Bei der Veranstaltung neben der Stadthalle gehe es darum, „die Demokratie gegen Feinde zu verteidigen“.

Denn: „Unter dem Deckmantel der Demokratie sammeln sich Menschen, die „völkische, rassistische, faschistische und antisemitische Parolen von sich geben“, so Lamparter. „Hier geht es auch um den Schutz der Menschenrechte.“ Antifaschismus sei „keine linke Geisteshaltung, Antifaschismus ist der Normalzustand“, endete der IG Metall-Bevollmächtigte seine Rede.

Carla, von der Initiative „Gemeinsam und solidarisch gegen Rechts“, betonte in ihrer Ansprache: Die Forderung von „Gemeinsam für Deutschland“ mit Grenzschließungen und der Forderung nach einem Deutschland nur für Deutsche passe zu den rechten Jugendorganisationen. Die Bilder von der Demonstration der Initiative in Stuttgart Ende März habe gezeigt: „Es ist wieder in, Springerstiefel zu tragen und den Hitlergruß zu zeigen“, so Carla.

Die Gefahr dürfe nicht unterschätzt werden, „dem rechten Treiben muss Einhalt geboten werden“. Sie forderte dazu auf, „die Route der Nazis zu blockieren“. Genau das geschah dann auch in den folgenden vier Stunden.

Sämtliche Wege und Straßen von den Bösmannsäckern, dem großen Parkplatz bei der Firma Bosch, wurden von einzelnen Gruppen der Gegendemonstranten abgeriegelt. Es gab kein Durchkommen für die „Gemeinsamen“, die den Reutlinger Marktplatz als Ziel ausgegeben hatten.

Erstaunlich groß war die Präsenz von Polizeibeamten, die dafür sorgten, dass sich Demonstranten und Gegendemonstranten nicht begegnen konnten. Jede einzelne Straße in Richtung Marktplatz war mit Polizeiwagen blockiert worden. Schon zu Beginn der Gegendemo hatte sich ein Katz- und Mausspiel entwickelt – hier aber zwischen der Antifa und der Polizei.

Die Gegendemonstrierenden versuchten zunächst von der Stadthalle über den benachbarten ZOB in Richtung Bösmannsäcker zu gelangen. Doch die Polizei hatte den Weg zugemacht. Als die Antifa versuchte, die Polizeikette zu durchbrechen, haben die Polizisten nach eigenen Angaben Pfefferspray und Knüppel eingesetzt.

Es habe Verletzungen bei Polizeibeamten gegeben und bei einem Demonstrierenden. Direkt neben der Stadthalle wurden die Aktiven der Antifa nach einer kurzen Jagd eingekesselt.

Auf den Bösmannsäckern war längere Zeit unklar, ob der Protestmarsch starten könne. Als es dann mit fast einstündiger Verzögerung losging, stoppte der Zug nach wenigen Minuten wieder, wie der Reutlinger General-Anzeiger in einem Live-Blog berichtete. Als die Protestierenden merkten, dass sie von der Polizei in Richtung Betzingen anstatt zum Marktplatz geleitet wurden, gab es eine Sitzblockade. „Wir fühlen uns verarscht“, soll einer gesagt haben.

Als es weiterging, dieses Mal tatsächlich in Richtung Marktplatz, landete der Zug wieder am Ausgangspunkt, den Bösmannsäckern. Nach mehr als zwei Stunden beendeten die Veranstalter die Demo. Zuvor hatte AfD-Stadtrat Hansjörg Schrade laut GEA das Mikrofon ergriffen und die Stadtverwaltung beschuldigt, sie sei „vor der Antifa eingeknickt“. Schrade wolle sich das nicht gefallen lassen.

In der Zwischenzeit hatten sich verschiedene Gruppierungen der Gegendemonstranten in der Innenstadt getroffen – an der Nikolaikirche etwa, wo die Grünen und

das Bündnis für Menschenrechte das Gespräch mit Passanten suchten. Auf dem Marktplatz fand eine besondere Malaktion statt, wobei vor allem Parolen für mehr Offenheit und Vielfalt dort zu lesen waren.

Das Ende der gesamten Aktion: Die Antifa war gegen 18.30 Uhr immer noch eingekesselt. Auf dem Marktplatz trafen Gegendemonstranten auf „Gemeinsame“ – nach kurzen Wortgefechten tauschten sich laut GEA danach manche miteinander friedlich aus. Dennoch sei das Polizeiaufgebot vor Ort noch einmal erhöht worden. Die Antifa-Aktiven sind im Übrigen dann noch von der Polizei zum Bahnhof geleitet worden.

Gegen 19 Uhr sei die Versammlung auf dem Marktplatz schließlich aufgelöst worden. Das Fazit: Anstatt der 1.500 angemeldeten Personen von „Gemeinsam für Deutschland“ sei maximal ein Drittel gekommen. Bei der Gegendemo hatten die Veranstalter 6.500 Demonstrierende angemeldet. Gekommen waren zwischen 600 und 800.

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