Angeklagter wegen mehrfachen Fahrens ohne Führerschein, mit gefälschten Kennzeichen, wegen Diebstahl und Waffenbesitz zu 2 Jahren 8 Monaten Haft verurteilt
Alle waren sich am Montag im Amtsgericht einig: „Was sich der Angeklagte geleistet hat, war nicht ohne“, wie selbst Verteidigerin Safak Ott einräumte. Besonders im Blick hatten Richter, Staatsanwalt und Ott dabei eine Verfolgungsjagd am 29. September 2024, gegen 4 Uhr nachts: Das Rennen begann in der Reutlinger Altenburgstraße und endete in der ersten Kehre der Honauer Steige, noch nicht ganz. „Dort sprühten Funken und Fahrzeugteile flogen durch die Luft“, erinnerte sich der verfolgende Polizeibeamte am gestrigen Montag im Gerichtssaal.
Damit nicht genug: Von der Kehre raste der Audi A6 weiter in einen Waldweg, bis er schließlich im Forst steckenblieb. Vorsichtig hatten sich die Streifenbeamten dem Fahrzeug genähert, „wir haben überlegt, die Scheibe auf der Fahrerseite einzuschlagen, da griff der Mann zu einer Jack-Daniels-Dose, leerte sie, stieg danach aus und ließ sich ohne Gegenwehr festnehmen“. Im Auto fanden sich später noch Betäubungsmittel.
Doch zurück zum Anfang: In der Reutlinger Lederstraße hatte der Angeklagte nicht angehalten, wie der Polizeiwagen hinter ihm gefordert hatte. Stattdessen gab er Gas. „Er hat total krass in Richtung Pfullingen beschleunigt, an der Kreuzung Seestraße fuhr er dann mit mindestens 90 Stundenkilometern bei Rot über die Ampel“, sagte eine Polizistin, die ihn verfolgt hatte.
Auf der weiteren Fahrt verlor der Streifenwagen den Kontakt zu dem Raser. Aber: Die Polizeiposten in der Umgebung waren alarmiert, in Unterhausen wartete bereits die Ablösung. Kurz darauf kam der Audi A6, die Streife setzte sich hinter ihn, forderte wiederum dazu auf, anzuhalten.
Doch der Angeklagte gab Vollgas. „Mit bis zu 140 ist der durch Unterhausen gerast, wo Tempo 30 gilt.“ Der Angeklagte sei Schlangenlinien gefahren, „wenn da ein Fußgänger unterwegs gewesen wäre, den hätte es weggefegt“, sagte Richter Eberhard Hausch in der Urteilsbegründung.
Das Ganze war also „ein brandgefährliches Rennen“, das der Angeklagte sich mit der Polizei geliefert hatte – allein dafür hätte er schon ein Jahr und drei Monate Haft erhalten. Aber es kam ja noch viel mehr dazu: Schließlich hatte der Mann Alkohol und Drogen konsumiert. Und das Auto hatte gefälschte Kennzeichen. Und es war nicht angemeldet. Und der Mann hatte obendrein gar keinen Führerschein – hatte noch nie einen besessen.
Unglaublich, was da alles zusammenkam. Auffällig sei die „Affinität zu Autos und zu geklauten oder gefälschten Kennzeichen“, betonte Staatsanwalt Dr. Burkhard Werner. Nach der Liste aus dem Vorstrafenregister, die Hausch verlesen hatte, war der 33-Jährige schon viele Dutzend Male ohne Führerschein aufgefallen. Und fast ebenso oft mit falschen Kennzeichen. Der Angeklagte saß zudem bereits einige Jahre im Gefängnis. Ansonsten war er lange Zeit im Obdachlosenmilieu zuhause.
Doch die Liste der Anklagen war am Montag mit dem Rennen noch nicht vollständig: Zudem hatte er ein Pedelec aus einem Fahrradkäfig beim Reutlinger Krankenhaus geklaut. In einer Nacht im Februar vergangenen Jahres wurde er in der Reutlinger Emil-Adolff-Straße von der Polizei angehalten. Auch da hatte er gefälschte Nummernschilder am Auto. Und geklaute Nummerntafeln aus der Ukraine dabei. Und zwei Schreckschusspistolen, ohne Waffenschein.
Wie soll so jemand bestraft werden, der stets die Bewährung bei verhängten Strafen gebrochen hatte? Der offensichtlich nichts, aber auch gar nichts dazugelernt hatte? Zwar war der Mann am Montag geständig, doch mit der günstigen Sozialprognose taten sich sowohl Werner wie auch Hausch schwer.
Rechtsanwältin Safak Ott hatte eine erneute Bewährungsstrafe gefordert. Anstatt der zwei Jahre acht Monate, die das Gericht nun verhängte, „könnten Sie ihn auch mit zehn Jahren bestrafen“, so Ott. Bringen werde das aber nichts. Der Angeklagte solle doch nun seine Drogentherapie angehen. „Sollte er wieder straffällig werden, kann er immer noch ins Gefängnis“, sagte Ott. Hausch jedoch betonte: „Für eine Bewährungsstrafe reicht es einfach nicht.“