Beschäftigte von Karl-Mayer-Stoll Textilmaschinen an der Adolf-Kolping-Straße demonstrieren gegen die Schließung des Reutlinger Standorts
Die Wucht, mit der drei Stoll-Beschäftigte am gestrigen Dienstagmittag immer wieder mit Gummihämmern auf Ölfässer schlugen, war enorm. Zusammen mit den Trillerpfeifen zahlreicher Kolleginnen und Kollegen produzierten sie dabei einen Höllenlärm, als sie in der Mittagspause vor dem Fabrikgebäude ihres Arbeitgebers Karl-Mayer-Stoll gegen ihre Entlassung demonstrierten.
Die Wut der Beschäftigten erklärt sich von allein, denn: Die insgesamt 286 Arbeitsplätze am Standort Reutlingen sind gefährdet. „Aber Karl Mayer ist das völlig egal“, rief Frank Wittel als Betriebsratsvorsitzender seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern per Megaphon während der Protestaktion entgegen. „Der Mensch zählt hier überhaupt nichts – das ist eine Riesensauerei.“ Wütende Fasstrommelei und Trillerpfeifengetöse begleitete dieses Aussage.
Obwohl Aufträge für den Standort Reutlingen vorhanden seien, obwohl sogar Anfragen kämen, ob denn Stoll im September und Oktober noch liefern werde – „alles egal, unsere Firma soll plattgemacht werden“, so Wittel. Die Anwaltskanzlei, die von der Konzernzentrale in Obertshausen nahe Offenbach beauftragt wurde, nach Alternativen zu suchen, habe laut Thomas Bayer jedoch nichts anderes im Sinn, als „quick and dirty, also schnell und dreckig“ die Firma an der Adolf-Kolping-Straße neben der Straße nach Ohmenhausen abzuwickeln.
Am 30. September sollen dort die Lichter ausgehen, von Investoren oder Käufern hätten Wittel und sein Stellvertreter Bayer nichts gehört. „Arrogant und dreist“ habe sich die Betriebsleitung gezeigt. Und obendrein auch noch inkompetent – „der Einzige, der im Karl-Mayer-Konzern Kohle macht, ist Stoll, in Obertshausen hauen sie hingegen das Geld raus ohne Ende“, so Bayer.
Nach den Worten von Kai Lamparter von der IG Metall habe Oliver Mathews als Geschäftsführer des Reutlinger Standorts gesagt: „Er wollte alles prüfen, er beschäftige sich Tag und Nacht mit Reutlingen.“ Von sozialverträglichem Abbau von Arbeitsstellen sei jedoch nie die Rede gewesen, „man kann ein Traditionsunternehmen wie Stoll mit 150jähriger Geschichte nicht innerhalb von drei Wochen plattmachen“, so Lamparter. „Wir sind Stoll“, schrien ihm die Beschäftigten entgegen, wütend trommelten und pfiffen sie ihren Ärger heraus.
Das Werk in Reutlingen soll geschlossen werden, weitere in Chemnitz und Waldmuenchen müssten laut Wittel „heftig bluten – und das alles, um den Hauptstandort in Obertshausen zu retten“. Dabei ist Stoll erst vor acht Jahren in das Industriegebiet Mark-West gezogen, vor 4,5 Jahren wurde das Fabrikgelände deutlich erweitert.
Die Rede war bei den Protesten am Dienstag von Missmanagement von Oliver Mathews nach der Übernahme von Karl Mayer. „Die vergangenen fünf wurde das Konzept von Obertshausen übergestülpt, das hat nie gepasst“, betonte Frank Wittel. Es gelte nun, den Betrieb in Reutlingen „ins Schaufenster zu stellen und in einem geregelten Ablauf einen Investor oder Käufer zu finden“, sagte Lamparter. Die IG Metall werde dann „mit draufgucken, dass die Firma in gute Hände kommt“, so der zweite Bevollmächtigte der IG Metall Reutlingen-Tübingen.
Am gestrigen Dienstag stand ab 13 Uhr eine neue Verhandlungsrunde mit der Firmenleitung an. Für den Freitag diese Woche sei ein weiterer Termin um 9 Uhr geplant. „Wir wissen aber rein gar nichts, mit wem Karl Mayer spricht, ob es Investoren gibt, das ist alles völlig intransparent“, so Lamparter. Klar sei nur eins: Die Stimmung bei Stoll in Reutlingen ist hundsmiserabel.