Präsidentin des baden-württembergischen Landtags Muhterem Aras am Internationalen Frauentag zu Gast im Reutlinger Rathaus
Bevor Muhterem Aras am Samstagabend im Reutlinger Rathaus-Foyer ihre beeindruckende Rede hielt, bestand die Möglichkeit, im großen Ratssaal eine Ausstellung zu betrachten. Und noch viel wichtiger – mit den Aktiven von einigen Initiativen und Gruppierungen ins Gespräch zu kommen. Mit Ferda etwa, mit Sisters, Omas gegen Rechts, Soroptimist International und einigen anderen. Das Besondere an allen: Vor allem Frauen setzen sich für Frauen (und auch für die Demokratie) ein.
(Foto: Michaela Höhn-Bea (3. von rechts) erläuterte am Samstagabend im großen Ratssaal die Aktion der roten Bänke in städtischen Jugendhäusern.)
So auch die Initiative der Stadt, die mit roten Bänken in Jugendzentren Diskussionen über häusliche Gewalt anregten, wie Michaela Höhn-Bea erläuterte. „Jugendliche haben das Thema stark aufgegriffen“, so die Leiterin der Abteilung Jugend. Höhepunkt dieses Abends im Rathaus war aber der Besuch von Muhterem Aras, die nach den einleitenden Worten von Oberbürgermeister Thomas Keck seit 2016 Präsidentin des baden-württembergischen Landtags ist. Als erste Frau überhaupt kam die kurdisch-stämmige, heute 59-Jährige in dieses Amt. „Sie haben ein starkes Zeichen für die Gleichstellung der Geschlechter gesetzt“, lobte Keck.
Allerdings sei nach den Worten von Aras und Reutlingens OB die Zahl der Frauen im Bundestag wieder auf dem Rückzug: Nach 6,8 Prozent im allerersten Bundestag, waren es zuletzt immerhin 35,7 Prozent Frauen – doch im frisch gewählten Parlament werden nur noch 32,4 Prozent weibliche Bundestagsabgeordnete vertreten sein.
(Foto: Die Landtagspräsident inmitten von Reutlinger Politikerinnen und Politiker, von links Roland Wintzen, Angela Weiskopf, Sultan Plümicke, Muhterem Aras, Thomas Keck, Beate Müller-Gemmeke, Cindy Holmberg und Thomas Poreski)
Muhterem Aras hob in ihrem „Impulsreferat“ hervor, dass die Demokratie seit 75 Jahren nicht so unter Druck gestanden sei, wie zurzeit. „Gewalt und Frauenhass“ mache sich gerade beim Blick in die USA breit, ein Mann sei dort zum Präsidenten gewählt worden, der von Gerichten verurteilt wurde und ganz offen frauenverachtend auftrete, das Recht auf Abtreibung bekämpfe und gegen Transfrauen hetze.
„In einer gleichberechtigten Gesellschaft hätte solch ein Mann nicht Präsident werden können“, so Aras anlässlich der Veranstaltung zum Internationalen Frauentag. Die Wahl von Trump sei ein „verheerendes Signal an die Frauen nicht nur in den USA“. Auch in Europa sei ein gewaltiger Rechtsruck zu bemerken – „und das heißt, weniger Gleichheit, mehr Hierarchie und mehr Patriarchat, im Extremfall bedeutet es Unterwerfung, denn die Gleichheit der Geschlechter wird von den Rechten bekämpft“, betonte Muhterem Aras.
Die größte Gefahr für Frauen gehe in der Welt von Männern aus, die sich vor der Gleichheit der Geschlechter fürchten. Hinzu komme in den zurückliegenden Jahren die ewige Diskussion über das Gendern – „niemand redet so viel über das Gendern wie diejenigen, die dagegen sind“. Ein „toxisches Bild“ von vermeintlich maskulinen Männern mache sich breit, das mit Trump, Orban oder auch Höcke extrem breitbeinig, großmäulig und machomäßig daherkomme.
Rund ein Fünftel der Wählerschaft habe bei der Bundestagswahl am 23. Februar eine völkische, frauenfeindliche Partei gewählt, die mit einem tradierten Männerbild einhergehe. „Wir brauchen eine Diskussion über die Männlichkeit von heute, dabei darf es aber nicht nur um die toxische Ausprägung gehen, ein positives Gegenbild muss erstellt werden“, forderte die Landtagspräsidentin. Denn: „Gleichberechtigung ist ein Mehrwert für uns alle.“ Allerdings verbreite sich in den „sozialen Medien“ das Gegenteil, ein massiver Frauenhass. „Uns droht ein Rückschritt“, betonte Aras.
Der „zähe Kampf für Gleichberechtigung“ werde schon seit Jahrhunderten geführt. Es seien Fortschritte erreicht worden, aber gleiche Bezahlung gebe es immer noch nicht. Es gehe auch um Respekt – denn jede noch so kleine Anzüglichkeit, jeder sexistische Witz sei einer zu viel.
Ein gewichtiges Thema sei zudem die Sicherheit für Frauen – „alle drei Minuten gibt es einen Fall von häuslicher Gewalt in Deutschland“. Jeden Tag werde eine Frau ermordet, einfach nur, weil sie eine Frau ist. „Null Toleranz für Hass und Gewalt gegen Frauen“, forderte Aras. Gleichzeitig drohe mit den Anfeindungen gegenüber der Demokratie ein Rückschritt beim Frauenbild und bei den Frauenrechten. „Hören wir nicht auf, für die Gleichstellung zu kämpfen, so lange, bis sie erreicht ist“, so die eindeutige Forderung der Landtagspräsidentin.