Landwirtinnen und Landwirte trafen sich zur Mitgliederversammlung des Maschinenrings Alb-Neckar-Fils in der Falkensteinhalle in Grabenstetten
Genau vor einem Jahr hatten gewalttätige Bauernproteste noch den politischen Aschermittwoch der Grünen 2024 in Biberach verhindert. Doch wie ist die Stimmung ein Jahr später, beim Treffen der Bäuerinnen und Bauern in Grabenstetten? Am Mittwochabend waren knapp 400 Landwirte aus den Kreisen Göppingen, Esslingen und Reutlingen zur Mitgliederversammlung des Maschinenrings Alb-Neckar-Fils nach Grabenstetten gekommen.
„Der Schweinepreis ist schlecht, Rinder gut, der Milchpreis ist ausnahmsweise mal in Ordnung“, sagte Moritz Birk auf die Frage nach der Stimmung in der Landwirtschaft. „Die Gesamtsituation ist schwierig“, so der Geschäftsführer des Maschinenrings. Die Themen seien bekannt, sagte zudem Gebhard Aierstock, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Reutlingen. Von Krawall und Revolte wie im Vorjahr keine Spur mehr, aber: „Durch die Proteste im Vorjahr sind wir alle enger zusammengerückt“, sagte Marleen Müllerschön, Pferdewirtin aus Köngen.
Zusammen mit ihren Eltern hat die 28-Jährige für den elterlichen Hof gerade eine GbR gegründet. Sie ist eine der Nachwuchs-Landwirtinnen, die auf jeden Fall weitermachen will. Und das, obwohl die Herausforderungen groß sind, als junge Frau müsse man sich sehr gut überlegen, ob man in der Landwirtschaft eine Zukunft sehe. „Man muss investieren“, sagte Müllerschön. Und so ein neuer, moderner Stall für 100 Kühe, der koste rund 2 Millionen Euro.
„Ob man in fünf oder zehn Jahren überhaupt mit Milch, mit Kühen noch eine Zukunft hat, das weiß niemand“, sagte die junge Landwirtin. Vielleicht gehe es massiv in Richtung „vegan“ weiter. Dennoch möchte Müllerschön weitermachen – trotz immer mehr Bürokratie, immer mehr Vorgaben und trotz möglicher Konkurrenz durch das Handelsabkommen der EU mit Südamerika. „Dort wird beim Fleisch und Getreide unter völlig anderen Standards produziert“, betonte Landwirt Gerd Breitenbücher aus dem Kreis Göppingen.
Außerdem schreite „der Strukturwandel ungebrochen voran“, so Moritz Birk. „Die von der Politik gewünschten kleinen Bauernhöfe gibt es nur noch in Bilderbüchern.“ Landwirte „arbeiten heute auf Sicht, sie investieren in diesen unsicheren Zeiten kaum noch“, betonte der Geschäftsführer des Maschinenrings Alb-Neckar-Fils. Dabei sei der Nachwuchs vorhanden, sehr gut ausgebildet. „Das Interesse ist da“ betonte Birk. „Es scheitert oft am Investitionsstau.“
Hinzu komme laut Marleen Müllerschön, dass die Übergabe der elterlichen Höfe an den Nachwuchs momentan nicht unbedingt mit einem guten Gewissen vollzogen werden könne – angesichts der unsicheren Zeiten. Von den massiven Protesten im Vorjahr, von der Wut auf die Ampelregierung hat am Mittwochabend in Grabenstetten niemand gesprochen. „Wir sind sehr gespannt, was die neue Regierung bringt“, sagte Gebhard Aierstock stellvertretend.
Dass Landwirte eher konservativ eingestellt sind, stimme. Dass die Grünen bei den meisten Bauern nicht gut abschneiden, „das hat was mit früher, mit Ideologie zu tun“, sagte Breitenbücher dazu. Allerdings sei von der künftigen Bundesregierung bislang zur Landwirtschaft noch nichts zu hören gewesen. Dabei stünden gewaltige Herausforderungen an.
Und das auch im Bereich der regenerativen Energien: „Beim Biogas hängen Landwirte gerade in der Luft, die Verträge laufen aus, was danach kommt, ist oft nicht wirtschaftlich“, sagte Aierstock. Gegenüber Freiflächen-Fotovoltaik-Anlagen seien Landwirte zwar aufgeschlossen, genauso wie gegenüber Windkraft – „aber der Netzausbau kommt ja nicht voran“.
Hinzu kämen Probleme mit dem Getreidemarkt, der schon lange global die Preise bestimme. Was in dem Bereich nun mit der neuen US-Regierung zu erwarten ist, stehe in den Sternen. Marleen Müllerschön fehle zudem das Verständnis für die Belastungen der Landwirte: „Wir machen den Job 365 Tage im Jahr, zu Erntezeiten 15 bis 20 Stunden täglich.“ Aber, schiebt die junge Frau nach: Es gebe natürlich auch gute Gründe für sie, warum sie als Landwirtin weitermachen will.
Die Arbeit mit und in der Natur, führt sie an. Den Umgang mit Tieren. Dass man die eigene Leistung sehe. Die Bauern betonten am Mittwochabend, dass sie nicht immer nur jammern wollten. Mit der Zeit würden sie auch gehen – einige der jüngeren Generation seien auf Instagram und Tiktok unterwegs. Warum? „Um mehr Verständnis für die tägliche Arbeit in der Landwirtschaft zu wecken“, sagte Müllerschön.