GWG Tübingen vergibt Sozialbonus bei regelmäßigen Mietpreiserhöhungen – Rückblick nach zwei Jahren Erfahrung mit Freiburger Modell
Den „Sozialbonus“ für Menschen mit ganz wenig Geld gibt es bei der Tübinger Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau (GWG) nun seit zwei Jahren. „Ursprünglich kam die Idee aus Freiburg, die Tübinger SPD hat sie aufgegriffen und als Antrag in den Gemeinderat eingebracht“, erläuterten die GWG-Geschäftsführer Uwe Wulfrath und Paul Schmid am Mittwoch beim Pressegespräch.
Die GWG habe das Modell geprüft, der Aufsichtsrat sei einstimmig für die Einführung gewesen. „Momentan fördern wir noch mit der Gießkanne durch sehr niedrige Mieten“, sagte Wulfrath. Alle Mieter profitieren, wenn sie einmal in den Genuss kamen, in eine der rund 2.200 GWG-Wohnungen in Tübingen eingezogen zu sein. in den Jahren danach wisse die Gesellschaft allerdings sehr wenig, bis gar nichts mehr über die Mieter. Haben sich die Einkommensverhältnisse verändert, ist die Familie gewachsen, die Partnerin gestorben – die Geschäftsführer sprachen von einer regelrechten „Blackbox“ der GWG-Mieter. Laut Wulfrath habe es mal eine „Fehlbelegungsabgabe“ gegeben, die wurde aber per Gesetz wieder abgeschafft. Zu viel Verwaltungsaufwand, habe es geheißen.
Nun also der Sozialbonus, mit dem die durchschnittliche Erhöhung um 58 Euro pro Monat alle drei Jahre vermieden werden kann. Das gelte für ein Jahr, im Folgejahr müsse der Bonus erneut beantragt werden. In den vergangenen zwei Jahren haben bei insgesamt 909 betroffenen Wohnungen, die von der Mietpreiserhöhung informiert wurden, in 2023 genau 109 Mieter einen Antrag gestellt, 2024 waren es 54. Genehmigt wurde der Sozialbonus lediglich bei 30 Anträgen, wie Julia Bänsch von der GWG-Stabsstelle für Nachhaltigkeit und Innovation betonte.
Die meisten Anträge waren unvollständig, oft fehlte der Wohngeldbescheid vom Amt, wie Wulfrath ausführte. Insgesamt seien 23 und 17 Prozent in den beiden Jahren abgelehnt worden, weil die Voraussetzungen nicht gegeben waren. Entweder sind die Wohnungen zu groß, etwa wenn eine Witwe in einer Vierzimmerwohnung wohnt. „Natürlich ist es nachvollziehbar, wenn die Frau in der gewohnten Umgebung bleiben will, aber sie sollte zumindest darüber nachdenken, ob sie das Angebot einer kleineren Wohnung von uns annimmt, dann weniger Miete bezahlen muss – und damit die große Wohnung für eine Familie freimacht“, sagte Paul Schmid.
Wenn die geplante Mieterhöhung 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens überschreiten würde, dann könnten die Mieter ebenfalls einen Antrag stellen. Ausgenommen vom Sozialbonus seien Bezieher von Arbeitslosen- oder Bürgergeld – „die kriegen die Miete eh 1:1 vom Amt und muss also auch die Erhöhungen mittragen – wir brauchen das Geld für Sanierungen und Neubauten“, betonte Wulfrath.
Dass in den vergangenen zwei Jahren so wenige Sozialbonus-Anträge bei der GWG gestellt wurden, führen die Geschäftsführer auf die eh schon niedrige Miete zurück. Genehmigt wurden etwa Anträge wie bei einer Person, die in 48 Quadratmetern lebt und 400 Euro Miete bezahlt. Das Nettoeinkommen betrug laut Bänsch in dem Fall bei 1.000 Euro. Genehmigt wurde der Sozialbonus, weil mit der Erhöhung der Miete die 30 Prozent Nettohaushaltseinkommen überschritten würde.
Ablehnungen erfuhren hingegen solche Anträge wie der einer fünfköpfigen Familie, die auf 95 Quadratmetern lebt und bei einem Einkommen von 3.200 Euro 800 Euro Miete zahlen muss. Mit der Erhöhung sei die Nettoeinkommensgrenze nicht überschritten. „Bei dem Ganzen geht es um das Thema Gerechtigkeit, wir sind ein kommunales Wohnungsunternehmen, das auch für die unteren Einkommensschichten zuständig ist“, sagte Uwe Wulfrath.
Dass so wenige Sozialbonus-Anträge gestellt wurden, davon zeigte sich Paul Schmid überrascht, Uwe Wulfrath hingegen weniger: „Die Mieten sind einfach ziemlich niedrig – und wir werden das Modell auch in den kommenden Jahren weiterführen.“ Dass momentan die GWG-Wohnungen rund 20 Prozent unter dem Tübinger Mietspiegel liegen, müsse aber nicht so bleiben.
Das Ziel von 10 Prozent unterm Mietspiegel sei auch nicht in Stein gemeißelt. „Wir planen, die Mieten dem Marktpreis anzupassen – um damit auch Geld für die Heizungserneuerungen zu haben und noch mehr Wohnungen bauen zu können“, betonte Wulfrath. Der Sozialbonus federe die Mietpreissteigerungen immerhin bei denen ab, die wirklich wenig Geld haben.