Agentur für Arbeit und Jobcenter Reutlingen/Tübingen ziehen eine Bilanz für das vergangene Jahr und blicken voraus
„Ab Sommer 2024 spürten wir die Auswirkungen der konjunkturellen Eintrübung“, sagte Markus Nill als Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Reutlingen/Tübingen am gestrigen Donnerstag beim Pressegespräch über das vergangene Jahr. Prozentual sei die Zahl der Arbeitslosen gegenüber 2023 um 9,2 Prozent von 10.446 auf 11.408 gestiegen, so Nill.
Gleichzeitig stieg aber auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um rund 2.000 Personen auf etwa 211.000 – was einer Zunahme von etwa 1 Prozent entspreche. Das bedeutet: „Zwischen dem, was der Arbeitsmarkt fordert und dem, was angeboten wird, klafft eine Lücke“, so Markus Nill. Oder anders ausgedrückt: Wenn im Metallbereich eine Frau ihren Job verliert, kann und will sie nicht unbedingt als Frisörin arbeiten. „Wir müssen die Menschen für andere Tätigkeiten qualifizieren.“
14 Millionen Euro seien im vergangenen Jahr in die Qualifizierung gesteckt worden, mehr als 1600 Personen seien qualifiziert worden. Und zwar vor allem mit hochwertigen Weiterbildungen, die mehrere Monate dauerten. Bei der Arbeitsagentur gemeldete Arbeitsstellen gingen deutlich zurück (um 15,7 Prozent) auf 3.042, was vor allem auf dem Bau, im verarbeitenden Gewerbe und in der Gastronomie zu beobachten sei.
Die Zahl der Arbeitslosen ist laut Nill überall in den vier Geschäftsstellen der Arbeitsagentur gestiegen: In Reutlingen um knapp 700 auf fast 6.000 (+12,7 Prozent), in Münsingen um rund 20 auf knapp 450 (+5 Prozent), Tübingen um 243 auf mehr als 4.300 (+6 Prozent) und in Bad Urach um 27 Personen auf 685 (+4,1 Prozent). Insgesamt stieg die Arbeitslosenquote in den beiden Landkreisen um 9,2 Prozent.
Auch das Thema Kurzarbeit beschäftigte die Arbeitsagentur: „2024 mussten wir 90 Prozent mehr für Kurzarbeit ausgeben als im Jahr zuvor“, sagte Markus Nill. Genau 4,1 Millionen Euro seien das gewesen. Vor allem in der Metall- und Elektrobranche hätten mehr Unternehmen Kurzarbeit beantragt. „Grund dafür sind die negativen Aussichten auch für 2025.“
Branchen oder Berufe, die besonders viele Arbeitnehmer entließen: Forschung und Entwicklung mit 195 Freigesetzten – „die Zahl ist vor allem auf die Freisetzung von Mitarbeitern bei Curevac zurückzuführen“, betonte Markus Nill. Im Einzelhandel waren es 106 Entlassene, was besonders durch die Schließung von Galeria-Kaufhof und Breuninger in Reutlingen zurückzuführen sei.
Die Prognose für 2025 sehe nicht besser aus: Schon bis zum 30. Januar 2025 hätten Unternehmen in der Region angegeben, dass sie 100 Arbeitskräfte entlassen müssten. „Von Januar bis März 2024 waren das gerade mal 49 Beschäftigte.“ Prognosen für das gesamte Jahr 2025 hatten für den Landkreis Reutlingen einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um 1,8 Prozent vorhergesehen. „Das wird aber voraussichtlich noch mehr sein“, so Nill.
Aber: Die Zahl der Beschäftigten werde von 2024 auf 2025 wohl um 0,8 Prozent zunehmen. Gespannt zeigte sich Nill zusammen mit Markus Dick als Geschäftsführer des Jobcenters sowie Vanessa Appeltauer als operative Geschäftsführerin der Arbeitsagentur über das für 2026 vorgesehene Zusammengehen mit den Geschäftsstellen in Sigmaringen und Balingen.
„Mein Fazit für 2024 lautet: Wir stemmen uns gegen die Krise“, betonte Markus Nill. „Das vergangene Jahr war kein gutes für uns und 2025 wird nicht langweiliger werden.“ Anders sehe das für den Bereich der Ausbildungen aus: Laut Appeltauer gebe es für jeden unversorgten Jugendlichen 10,8 freie Stellen zur Auswahl. Auch 2025 werde es einen „Bewerbermarkt“ geben.
Im Bereich der Geflüchteten gebe es eine erfreuliche Entwicklung, betonte Markus Dick: „Der Job-Turbo zündet.“ Nach Sprach- und Integrationskursen würden immer mehr Menschen in Arbeit kommen. „Es bestätigt sich, was ich vor ein paar Jahren schon sagte: In dem Bereich brauchen wir etwas Geduld“, betonte Nill. „Insgesamt werden wir 2025 ein Arbeitslosenniveau erreichen, das wir schon länger nicht mehr hatten.“ Aber es gebe durchaus Chancen. Und Dick ergänzte: „In manchen Branchen werden Leute gesucht.“