Wo eine Köchin, Philosophin und Visagistin am Herd steht – Deborah Roscini kocht im S-Haus

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Deborah Roscini ist seit 1,5 Jahren Köchin im Reutlinger S-Haus und bringt seitdem die Kunst zustande, mit wenig Geld schmackhafte Speisen zu zaubern

„Die Herausforderung im S-Haus ist, mit wenig Budget gutes Essen auf die Tische zu bringen“, sagt Deborah Roscini. Seit 1,5 Jahren stellt sich die Köchin dieser Herausforderung – und bewältigt sie mit Bravour. Eigentlich hatte sie mal Philosophie und Sprachwissenschaften studiert – und obendrein noch eine Visagistenschule in Reutlingen betrieben.

Ein ziemlich unglaublicher Lebenslauf, den die heute 64-Jährige vorzuweisen hat, alles andere als geradlinig. Aber dafür unglaublich spannend. Geboren wurde sie 1960 in der Provinz Siena in der Toskana, eine herrliche Gegend, die sie auch heute noch regelmäßig besucht. „Freunde und meine Öl- und Nudellieferanten leben dort.“

In Italien hatte sie ihr fachgebundenes Abitur gemacht, mit einer Ausbildung in Richtung Chemie. Doch in dem Fach wollte sie nicht bleiben, sie studierte Philosophie und Sprachwissenschaften in Florenz. „Nebenher habe ich immer in der Gastronomie gejobbt, um mein Studium zu finanzieren“, berichtet Roscini im Gespräch mit unserer Zeitung.

Doch noch war die Zeit für die Arbeit als Köchin nicht gekommen. Sie wechselte von Florenz nach Tübingen, um dort ihr Studium fortzusetzen. Allerdings konnte sie kein Deutsch. „Ich hörte mir die Vorlesungen an und konnte mich irgendwann besser auf Deutsch über Nietzsche unterhalten als mir in der Metzgerei ein Schnitzel zu bestellen“, sagt Deborah Roscini und lacht.

Dann wechselte sie wieder die Richtung. „Was fängt man beruflich mit einem Philosophie-Studium an“, fragt sie sich selbst. Stattdessen hatte sie einen Crash-Kurs zur Visagistin gemacht, fortan arbeitete sie mit dem Reutlinger Friseur Roberto Laraia zusammen. „Er war für die Haare zuständig, ich für das Schminken und das Gesicht.“ Damit nicht genug, Roscini eröffnete sogar eine eigene Visagisten-Schule an der Achalm.

„Ich habe Leute ausgebildet, aber wer in dem Job weiterkommen will, muss einen extrem harten Weg gehen“, sagt Deborah Roscini. „Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr auf diese Schminkerei.“ Anstatt aber irgendwas Artverwandtes zu machen, sattelte sie erneut komplett um.

(Foto: Die Hand aus Kunststoff rechts vorne im Bild hat Deborah Roscini selbst gefertigt, in ihrer Zeit als Visagistin. „Die Hand könnte aber auch dafür stehen, dass wir mehr (ehrenamtliche) Hände im S-Haus brauchen“, sagt sie.)

„Ich habe bei einer Kochschule in Turin angerufen, ob sie mich nehmen wollte.“ Eine Selbstverständlichkeit sei das nicht gewesen, doch der Funke zwischen dem Schulleiter und ihr war sofort übergesprungen. Seitdem ist Roscini von Beruf Köchin und sie darf sogar ausbilden.

Wiederum in Reutlingen eröffnete sie ihre Firma „kochfit“ in der Kaiserstraße. Seit 20 Jahren ist sie schon dort. Sie bietet Catering und Kochkurse an, kocht für Privatfeiern, Firmen und mehr. Sie hat sich einen guten Namen in der Region verschafft. Dabei arbeitet sie zumeist abends und an den Wochenenden unterwegs – und so kam sie auch zum S-Haus. Tagsüber hatte sie oft Zeit.

„Ich kenne Elvira Laraia schon seit 40 Jahren, die vergangenen Jahre hat sie mich schwer bearbeitet, dass ich im S-Haus kochen soll“, sagt Roscini. Laraia war die Vorsitzende des Vereins Bürgertreff „Unter den Leuten“, der das S-Haus als Fortsetzung der Vesperkirche seit 2001 betreibt.

„Aber ich wollte nicht, ich hatte Vorurteile gegenüber dem S-Haus“, gesteht Deborah Roscini. „Elvira Laraia hat mich immer weiter gequält, bis ich einem Probekochen zustimmte.“ Aus diesem Ausprobieren sind nun 1,5 Jahre geworden. „Mir liegen mittlerweile das S-Haus und die Leute dort sehr am Herzen“, sagt Roscini und lächelt.

Als Betriebsleiterin ist sie zuständig für den Speiseplan, fürs Einkaufen, die Organisation im S-Haus, die Einteilung der momentan 22 Ehrenamtlichen und noch viel mehr. Ihre Philosophie des Kochens lautet: „Kochen ist das Aufwerten von Zutaten, so kann man Geld sparen.“ Und das gelingt ihr vorzüglich. Eins sollte aber verbessert werden: „Wir haben zu wenig Platz, in der Küche und auch im Restaurant.“

Eine Möglichkeit bestehe, die Räume der benachbarten AWO sind leer, Gespräche mit der Stadt standen an. „Wenn wir mehr Gäste bekochen wollen, dann brauchen wir mehr Raum“, sagt Roscini. Sogar an ihren Nachfolger hat sie schon gedacht. „Wir hatten einen 24-Jährigen hier, der seine Sozialstunden ableisten musste.“

Der junge Mann stellte sich geschickt an, erledigte die Aufgaben, die Roscini ihm auftrug. „Er hat Potenzial.“ Aber: Er sitzt momentan im Gefängnis, seine Vergangenheit hatte ihn eingeholt. „Wir halten ihm den Ausbildungsplatz frei, bis er kommendes Jahr wieder rauskommt“, sagt Deborah Roscini, die damit ihr großes Herz unterstreicht. „Es ist völlig faszinierend, auf was für Persönlichkeiten man hier im S-Haus trifft“, sagt sie.

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