Von Wellen, Wogen und großer Sehnsucht – Shanty-Chor-Konzert in Wallfahrtskirche Weggental

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Shanty-Chor der Marinekameradschaft Rottenburg begeisterte rappelvolle Wallfahrtskirche Weggental  

Die ersten Zuhörerinnen und Zuschauer waren am Samstagnachmittag schon zwei Stunden vor Konzertbeginn in der Weggentaler Wallfahrtskirche, um die besten Plätze zu ergattern. „Die Karten sind alle im Vorverkauf weggegangen“, berichtete der Vereinsvorsitzende der Marinekameradschaft (MK) Rottenburg, Egon Ruf, nach dem Auftritt der mehr als 60 „Seemänner“ – die aber beileibe nicht alle Matrosen oder Kapitäne waren.

Einige hatten nach den Erläuterungen von Ruf bei der Marine gedient, andere seien auf großen Frachtern unterwegs gewesen. Was sie alle vereint habe: Die Sehnsucht nach der Heimat, nach den Liebsten zuhause, ganz besonders in der Weihnachtszeit. Genau davon handelten auch die meisten der Lieder, die der Shanty-Chor am Samstag unter der Leitung von Dirigentin Angelika Stierle voller Inbrunst präsentierte. „Das ist so toll, wie viel Mühe sich die Männer geben“, sagte eine Nachbarin auf der Kirchenbank in der rappelvollen Kirche und klatschte mit dem Rest des Publikums begeistert Beifall.

Allein die Bänke in dem Gotteshaus hatten nicht ausgereicht, rechts und links waren noch Stühle platziert worden, um der riesigen Nachfrage von etwa 350 Personen einigermaßen Herr zu werden. Aus Besigheim war ein ganzer Bus voller Gäste angereist. „Die waren die ersten, die schon nach Karten gefragt haben, bevor wir selbst wussten, ob wir hier singen“, sagte der Vereinsvorsitzende schmunzelnd während des Konzerts.

In der besonderen Atmosphäre des Kirchenschiffs im Weggental verbreiteten die rund fünf Dutzend Seemänner (und auch Nicht-Seemänner) mit ihrem Gesang und der Unterstützung von Akkordeon- sowie Gitarrenspielern vorweihnachtliche Stimmung. Erkennbar war, dass bei so manchem Shanty-Hit sich die Zuhörerschar beherrschen musste, um nicht mitzuschunkeln. Das darf man doch nicht, oder? Schließlich befanden sich alle in einer Kirche, in einem Gotteshaus – da kann man doch nicht schunkeln? Oder?

Bei einigen anderen Liedern wiederum schien bei kurz geschlossenen Augen das Plätschern der Wellen und das Wogen der Meere direkt unter den eigenen Füßen fühlbar zu sein. Wie aber das tatsächlich war, auf den endlosen Gewässern, weit weg von Zuhause, auch und gerade in der Weihnachtszeit? Davon berichtete „Seebär“ Hans-Joachim Burkhardt auf die Fragen von MK-Jugendleiterin Franziska Neu und Sofia Ulbrich: Zehn Jahre war Burkhardt auf allen Weltmeeren unterwegs, siebenmal musste er Weihnachten fern der Heimat verbringen.

Der Weihnachtsbaum sei im Kühlraum gelagert worden, damit er nicht schon vor dem Heiligen Abend alle Nadeln verloren hätte. In der Offiziersmesse wurde an Weihnachten königlich gespeist, so Burkhardt. Telegramme von den Lieben zuhause hätten manchen harten Seemann zu Tränen gerührt – wenn die Nachrichten ausblieben erst recht. „Die besinnliche Zeit war nicht unbedingt die schönste, bei vielen herrschte Einsamkeit und Sehnsucht weit weg von Zuhause.“

Lieder wie „Weihnacht auf hoher See“, „Matrosenweihnacht“, „Heilige Nacht an Bord“, „Weihnachtszeit auf den Meeren“ oder auch „Weihnachten bin ich zuhaus“ berichteten allesamt von dieser großen Sehnsucht der Seemänner auf den Schiffen in der Ferne. Zum „Little Drummer Boy“ zog Mika Baumann mit seiner Marschtrommel in die Kirche ein, zu dem außerplanmäßigen getragenen „I am sailing“ schienen die Herzen vollends zu schmelzen.

Und wie geht’s weiter mit dem Shanty-Chor? „Wir haben eine Jugendgruppe“, sagte Egon Ruf nach dem Konzert. Der Altersdurchschnitt des Chors liege bei knapp 69 Jahren, einige jüngere Sänger seien am Samstag aufgrund der beruflichen Belastung vor dem Auftritt nicht dabei gewesen. „Wir sind ein Männerchor und wollen das auch bleiben“, so Ruf. Obwohl – eine „Quotenfrau“ gebe es mit Dirigentin Stierle ja doch. Und das sei auch gut so, sagte Egon Ruf und schmunzelte.

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