Auf der Flucht ertrunken, verdurstet, verhaftet – kein Grund zu feiern für das Bündnis für Menschenrechte

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Aktion von Seebrücke und Bündnis für Menschenrechte auf dem Reutlinger Marktplatz mit einer Festtafel, an der einige Plätze leer blieben

Ein Tag zum Feiern. 76. Geburtstag. „Wir feiern heute den Tag der Menschenrechte“, sagte Cornelie Pflüger am Freitagabend bei sehr kalten Temperaturen vor dem großen Weihnachtsbaum auf dem Reutlinger Marktplatz.

Am 10. Dezember 1948 wurde von den Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Kraft gesetzt. Eine große Tafel mit Geschirr, Servietten, Kerzen, Gläsern lud auf dem Marktplatz ein – „lasst uns anstoßen auf diesen großen Geburtstag“, so Pflüger von der Reutlinger Seebrücke.

Aber: Ein paar Plätze waren leergeblieben. Imani und seine Frau Fela sind nicht gekommen. Er 32, sie 31 Jahre alt. Von Sierra Leone aus waren sie losgezogen, die wollten nach Europa, auf der Suche nach einer besseren Zukunft. In Tunesien wurden sie von der Nationalgarde eingesammelt, in die Wüste gefahren, unter Schlägen dort ausgesetzt. Ohne Wasser und Nahrung. Beide sind dort gestorben. Ihre Plätze an der Tafel der Menschenrechte auf dem Reutlinger Marktplatz blieben leer.

Genauso wie der Platz von Omid, der ältere Mann war aus dem Iran geflohen. Er wollte nach Deutschland zu seinen Töchtern. An der türkisch-griechischen Grenze wurde er verhaftet, unerlaubte Einreise, hieß es. So haben es Mitglieder des Bündnisses für Menschenrechte und der Seebrücke am Freitagabend verlesen.

Omid sitzt in Griechenland in Haft, wurde zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, seine Töchter denken, er sei auf der Flucht gestorben. Auch sein Platz an der Reutlinger Tafel blieb leer. Tatsächlich gestorben ist Bassem, ein Syrer, der vor dem Terrorregime Assads nach Ägypten geflohen war. Er lernte eine Frau kennen, sie beschlossen, nach Europa zu gehen.

Für einen Schlepper zahlten sie 5000 Dollar. Auf einem kleinen Fischerboot wurden sie mit 138 anderen Flüchtlingen zusammengepresst. „Am vierten Tag kenterte das Boot.“ Bassem ist im Mittelmeer ertrunken, wie jedes Jahr wieder Tausende andere Menschen. Auch Bassems Platz blieb leer an der Tafel.

Auf die Menschenrechte anstoßen, wenn so viele Menschen außen vor bleiben? „Wenn so viele fehlen, dann wollen wir auch nicht feiern“, sagten die „Festgäste“, standen auf und verließen die festliche Tafel.

Die Aktion auf dem Reutlinger Marktplatz ging danach in der Citykirche weiter. Conni Gunßer berichtete dort von der Aktion „Watch the Med – Alarm Phone number +33 486 517 161“. Rund um die Uhr sind etwa 400 Freiwillige rund um das Mittelmeer herum unter der Nummer erreichbar.

Dabei handle es sich nicht um eine Seenotrettung, um Boote oder Hubschrauber die sofort starten. Auf der anderen Seite des Alarm-Telefons sitzen Menschen, die Küstenwachen anrufen, Druck machen, die Positionen der Boote mit den Geflüchteten durchgeben. „Wir wollen Mut machen, wir haben genug Platz für Flüchtlinge in Europa“, betonte Gunßer.

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