„Botschafter der Hoffnung“ – Tübinger Bürgerstiftung zeichnet Telefonseelsorge und Jugendgemeinderäten aus

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(Foto oben: Jochen Richter (von links), Ute von Querfurth, eine Ehrenamtliche der Telefonseelsorge (die nicht namentlich genannt werden wollte) und Constanze Schemann-Grupp freuten sich über die Vergabe des Bürgerpreises.)

Tübinger Bürgerstiftung verleiht Bürger- und Ehrenamtspreis an engagierte Mitmenschen, die sich gegen Einsamkeit einsetzen

Die Rednerinnen und Redner waren sich am Samstag bei der Verleihung des Bürgerpreises und des Ehrenamtspreises der Tübinger Bürgerstiftung einig: „Über Einsamkeit spricht man nicht.“ Das betonten sowohl Tübingens OB Boris Palmer wie auch Gastredner Prof. Mazda Adli und Constanze Schemann-Grupp als Stiftungsrats-Vorsitzende der Bürgerstiftung kurz bevor der diesjährige Bürgerpreis verliehen wurde.

Psychiater, Stressforscher und Gastredner Prof. Mazda Adli aus Berlin.

Das diesjährige Thema: Einsamkeit. Die sei mittlerweile ein riesiges Problem. „Seit über 60 Jahren kümmert sich die Telefonseelsorge um einsame Menschen“, betonte Stiftungsvorstandsmitglied Jochen Richter in seiner Laudatio. Allein im Jahr 2023 seien 13.000 Anrufe geführt worden, 60 Prozent der Anrufenden hätten allein gelebt. Das zeige auf, dass „Einsamkeit eines der größten Tabuthemen überhaupt ist“, betonte der Berliner Psychiater und Stressforscher Adli in seinem Vortrag im Museum.

Doch damit nicht genug: Einsamkeit sei „sozialer Stress“, ein Gesundheits- und Armutsrisiko – „einsame Menschen sind zu 30 Prozent armutsgefährdet“, so Adli. In den Industriestaaten sei Individualität ein immer größerer Wert. „Die Kehrseite davon ist jedoch zunehmende Einsamkeit“, sagte der Psychiater. Und: Einsame Menschen würden sogar früher sterben, die Lebenszeit verkürze sich bei anhaltender Einsamkeit um ein Viertel.

Das sind alarmierende Zahlen und Fakten – die Telefonseelsorge Neckar-Alb tue ihren Teil, um „Menschen in Not zu stützen“, so Richter. „Die Telefonseelsorge ist mit offenen Ohren und Herzen da, wenn niemand zuhört.“ Ute von Querfurth sagte als Stellenleiterin der Telefonseelsorge Neckar-Alb: „Die Freude über den Preis ist sehr groß bei uns, wir sind ja nicht oft in der Öffentlichkeit.“ Einsamkeit werde klarer, wenn sie ans Licht komme, „das Thema muss aus der Tabuzone heraus“, so von Querfurth. Einsamkeit könne von der Telefonseelsorge nicht ausgerottet werden, „aber Gehör, Trost und Unterstützung zu finden“ in oftmals extrem schwierigen Situationen sei unendlich wichtig für die Anrufenden.

Mit dieser Meinung stand von Querfurth an diesem Mittag im Tübinger Museum nicht allein: Gleiches betonten auch Jugendliche, die vor drei Jahren aus dem Tübinger Jugendgemeinderat heraus eine „Projektgruppe Seelische Gesundheit“ gegründet hatten. Von insgesamt acht engagierten Jugendlichen waren vier bei der Ehrenamtspreis-Verleihung dabei.

Jugendliche aus der Projektgruppe Seelische Gesundheit.

Ihr Engagement, das sie selbst bei der Ehrenamtspreis-Verleihung erläuterten, riss die Anwesenden – die von der gesamten Stadtspitze bis zu Regierungspräsident Klaus Tappeser reichte – zu regelrechten Begeisterungsstürmen hin.

Die Jugendlichen Paula Zimmermann, Mia Boss, Nora Ruff, Efe Alpay, Aurel Peythieu, Meryem Derbal, Jonathan Fischer und Charlotte Hübner betonten: „Wir wollen psychische Gesundheit aus der Tabuzone herausholen“, betonten sie. Zur beeinträchtigten seelischen Gesundheit gehöre nicht nur Einsamkeit, sondern auch der zunehmende Leistungsdruck sowie der Umgang mit all den Krisen und Katastrophen.

„Wir wollen dazu beitragen, dass sich junge Menschen seltener einsam fühlen.“ Die Jugendlichen der Projektgruppe hatten Podiumsdiskussionen mit Betroffenen zum Thema seelische Gesundheit organisiert, aber auch immer wieder Veranstaltungen dazu ins Jugendhaus Bricks gebracht.

Eindeutig und klar war die Forderung der Projektgruppe – sie forderten „präventive Workshops für seelische Gesundheit“ an allen Tübinger Schulen. So wie es Erste-Hilfe-Kurse bereits gibt. „Wir müssen das jetzt anpacken, jeder fünfte Schüler fühlt sich belastet, wir brauchen jetzt Prävention“, so die Jugendlichen. Das Programm „Verrückt? Na und“ gebe es bereits, es solle regelmäßig an allen Tübinger Schulen durchgeführt werden.

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