Migrationsberatung für Jugendliche und Erwachsene von Diakonieverband, Caritas und Bruderhaus-Diakonie weisen in einem Pressegespräch auf Bedeutung ihrer Arbeit, auf Erfolge und Probleme hin
Die Angst vor Gewalttaten von Geflüchteten werde in der momentanen Diskussion um die vermeintliche „irreguläre Migration“ „viel zu sehr in den Vordergrund gestellt“, betonte Johannes Griesinger vom Jugendmigrationsdienst der Bruderhaus-Diakonie am Montag während einer Pressekonferenz im Reutlinger Gustav-Werner-Forum. Hinzu komme laut Dr. Joachim Rückle „bei der gesamten Diskussion, dass unsere Arbeit unter Generalverdacht gestellt wird“, so der Geschäftsführer des Diakonieverbands.
„Die Rückweisung von Menschen an den deutschen Grenzen, die am heutigen Montag beginnen soll, ändet überhaupt nichts“, sagte Beate Müller-Gemmeke als Grünen-Bundestagsmitglied. Zumal die Zahlen der Geflüchteten nachweislich 2024 zurückgegangen sei. Martin Rosemann (SPD-Bundestagsmitglied) sagte, dass zurzeit „eine Scheindebatte“ geführt werde, wenn es um „irreguläre Migration“ gehe – „und in diesem Zusammenhang Flüchtlinge und Migranten immer nur im Zusammenhang mit Kriminalität zu sehen, das ist tödlich, da wird eine Scheindebatte geführt“.
Michael Donth (CDU-Bundestagsmitglied) entgegnete: „Das ist keine Scheindebatte.“ Wenn die Diskussion um geflüchtete Straftäter nicht geführt werde, dann „driftet das Thema ab an die Ränder“, so Donth. Es brauche auch positive Beispiele, wie Integration funktioniere. Und diese Beispiele hatten die Migrationsberaterinnen der drei Institutionen mitgebracht.
Artem Kotov ist einer davon. Er kam vor zwei Jahren aus der Ukraine nach Deutschland, habe am List-Gymnasium seinen Realschlussabschluss gemacht, suchte nach einer Ausbildungsstelle, nach einem Praktikum oder einem FSJ – alles ohne Erfolg. „Ich habe keine Antworten auf meine Bewerbungen erhalten“, sagte der junge Mann in nahezu akzentfreiem Deutsch.
Tatjana Naumann vom Jugendmigrationsdienst hatte ihm geholfen, ihn unterstützt – und ihm nun auch eine Arbeit als Produktionshelfer verschafft. Kommendes Jahr will Kotov erneut Bewerbungen schreiben, möglichst eine Ausbildungsstelle im IT-Bereich finden. Ein weiteres positives Beispiel für unterstützende Integrationsbemühungen: Nataliia Starovoit – sie wurde von Olena Schick von der Migrationsberatung für Erwachsene des Diakonieverbands begleitet. Auch Starovoit kam als Geflüchtete vor dem Krieg mit ihrer achtjährigen Tochter nach Deutschland.
Ihr Deutsch ist noch ausbaufähig, aber: Sie hat bereits eine Arbeitsstelle als Näherin gefunden und gibt ehrenamtlich einen Nähkurs für ukrainische Frauen. „Es gab jedoch Momente, wo ich alles hinwerfen wollte“, gestand die Ukrainerin. Aktuell sei das passiert, als sie beim Sprachkursabschluss durchgefallen war. „Durch die Unterstützung von Frau Schick habe ich Arbeit gefunden, ich bin sehr glücklich“, so Starovoit.
Weniger glücklich sind allerdings die Träger der Migrationsberatung: Der Jugendmigrationsdienst sei „schlecht finanziert, jedes Jahr wieder beginnt bei uns das große Zittern, wenn die Haushaltsberatungen bei unserem Träger der Bruderhaus-Diakonie anstehen“, sagte Johannes Griesinger. Das bestätigte auch Lisa Kappes-Sassano als Leiterin von Caritas Fils-Neckar-Alb: „Die Belastungen werden immer größer, unsere Beschäftigten in der Migrationsberatung sind am Limit, gleichzeitig stehen die Träger finanziell mit dem Rücken an der Wand.“
Angebote müssten aufgrund „der finanziellen Engpässe eingeschränkt oder gar eingestellt werden“, so Kappes-Sassano. Auch Joachim Rückle betonte, dass der Diakonieverband als tarifgebundene Einrichtung 10 Prozent mehr an Lohnkosten habe, die nicht von Stadt, Land oder Bund refinanziert würden. Um das Angebot der Migrationsberatung nicht ganz abschaffen zu müssen, müssten „ergänzende Projekte“ erdacht werden, die dann meist über den Europäischen Sozialfonds wenigstens teilweise bezahlt würden.
Hinzu komme der Aspekt, dass die Beschäftigten in solch nicht auskömmlich finanzierten Arbeitsfeldern ebenfalls leiden: „Das macht ja was mit den Mitarbeiterinnen – wir brauchen eine andere Planungssicherheit“, so Rückle. Insgesamt habe die unsägliche Diskussion um Migration (ob irregulär oder illegal) „nichts mit der Realität zu tun“. Es gebe eine riesige Anzahl an positiven Beispielen von gelingender Integration als die von kriminellen Straftätern, die als Flüchtlinge gekommen sind. „Die Debatte um Migrations- und Asylpolitik hat gar nichts miteinander zu tun“, sagte Beate Müller-Gemmeke.