Mitten im steilen Wald – Führung zur Ruine Hohengenkingen am Tag des offenen Denkmals

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Großer Andrang trotz steilen Anstiegs: Die Mauern der Ruine Hohengenkingen lockten am Sonntag zahlreiche Interessierte auf die Anhöhe zwischen Undingen und Genkingen

Berauschend, dieser Ausblick vom Hohengenkingen über die Albhochfläche bei Undingen. „Dort, wo die Burg einst stand, konnte man drei Albaufstriege kontrollieren“, berichtete die Journalistin Christine Keck zusammen mit dem Archäologen Shane Cavlovic. Beide haben am vergangenen Sonntag zum Tag des offenen Denkmals bei einer ersten Führung mehr als 50 Interessierte über Wurzel, Stock und Stein in sehr unwegsamem Gelände auf die Spitze des Hügels geführt.

Egal, ob fußkrank oder hochbetagt – so mancher Interessierte quälte sich den steilen Hang hinauf. Was es auf dem Grat des Hohengenkingen zu sehen gab, war allerdings zunächst mal ziemlich unspektakulär: Steine, Kalksteine, wie sie auf der Schwäbischen Alb überall zu finden sind. Bäume, dicke Wurzeln, viel Moos. Mit den Augen eines Archäologen ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Und natürlich gibt es über die Burg, die einstmals hier stand, viele Geschichten. Sagen. Eine erzähle laut Cavlovic, dass das letzte Burgfräulein in Genkingen um Brot und Wasser bat, ihr das aber verwehrt wurde. In Undingen habe sie beides erhalten – so kamen die Undinger nach dem Tod des Fräuleins in den Besitz von Burg und Wald des Hohengenkingen.

Zu der Privatinitiative der Erforschung und Grabung auf dem Hohengenkingen sei der Reutlinger Zeit-Journalist Wolfgang Bauer gekommen, wie Christine Keck, seine Ehefrau, berichtete. Bauer wuchs in Undingen auf, sei damals schon immer wieder auf dem Berg gewesen. „Er hat sich vorgenommen, die Burgruine zu retten.“ Leitend bei dieser Privatinitiative dabei sei der freie Archäologe Dr. Sören Frommer – am Sonntag war er wegen Corona verhindert. Genauso wie Bauer, der in Kenia zur Recherche weilte.

Die Burg bewohnt und wahrscheinlich auch errichtet hätten die Herren von Genkingen. Vermutlich um das Jahr 1200 herum. Ein Rätselstein, der auf dem Gelände gefunden wurde, stamme jedoch aus dem vierten Jahrhundert, aus der Spätantike, als die Römer aus der Region des Albtraufs abzogen. „Dieser Fund führte zu mehr Fragen als Antworten“, so Shane Cavlovic.

Shane Pavlovic zeigte den Interessierten, dass die Außenmauern des Wohnturms rund 2,5 Meter breit waren.

Klar sei aber mittlerweile, dass die Burg über einen riesigen Wohnturm verfügte, einen sogenannten Donjon. „Der war größer als der Turm, der heute noch auf der Achalm steht“, so Keck. Mit einem Außenmaß von 15 mal 14 Metern, soll der Donjon mindestens 20 Meter gewesen sein – weil sonst die anderen Burger in der Region nicht zu sehen gewesen wären, so der US-Archäologe.

Als 2023 ein Sturm über den Hohengenkingen hinwegfegte, wurden zahlreiche Bäume entwurzelt. Eine Katastrophe? Zum Teil. Weil das Mauerwerk der Ruine damit weiter zerstört wurde. Gleichzeitig legten die entwurzelten Bäume jedoch auch Mauerwerk frei, auf das das Sucher-Team (bestehend aus Archäologen, Journalistinnen und Vereinsmitgliedern von „die Burg“) nie gestoßen wäre.

Aber: Es liegen noch Bäume quer über der Ruine, „viele Leute haben überlegt, wie man die rausbringen könnte“, so Christine Keck. Aufgrund des Klimawandels sei es enorm wichtig, die noch bestehenden Mauern zu sichern – sonst sei bald von der Ruine gar nichts mehr vorhanden. Stürme und Starkregen könnten den umtosten Gipfel bald ganz zerstören. Mit viel ehrenamtlicher Hilfe sollen die Bäume bald herausgeschafft werden. „Und wir hoffen auf 100.000 Euro Leader-Mittel, damit wir weiter archäologische Arbeiten durchführen können“, sagte Keck.

Bei allen Erläuterungen war es selbst mit größtmöglicher Fantasie am Sonntag nicht ganz einfach, sich in dem Wald auf dem Grat des Hohengenkingen eine Burg vorzustellen. Shane Cavlovic hatte einige Karten mitgebracht, die verdeutlichen sollten, wo die Ruine einst stand, wie sie ausgehen haben könnte. Allzu viel ist noch nicht bekannt – außer dem Wohnturm. Ein Palas, ein großer Saalbau werde vermutet, dazu ein Graben, ein Aufgang zum Donjon, eine Ringmauer.

Was aber bekannt ist: Die Damen und Herren von Genkingen müssen recht wohlhabend gewesen sein. Eine winzige Scherbe deute darauf hin, ein Fitzelchen aus einem Nuppenglas aus dem 13. oder 14. Jahrhundert. Herkunftsort: Libanon oder Ägypten. „Sehr teuer und sehr stabil“, so Cavlovic.

Aber: Die Burg, die wohl deutlich größer war, als je angenommen, so Keck – der Wohnsitz der Genkinger Herren wurde wohl schon im 14. Jahrhundert zerstört. Womöglich beim Städtekrieg um das Jahr 1377 herum. Brandspuren seien in den Mauerresten zu finden, sagte Shane Cavlovic. „Für die Zukunft gibt es die Idee, ein Burgenforschungszentrum an der Universität Tübingen einzurichten“, sagte Keck. Das könnte sich nicht nur mit der Burg am Hohengenkingen befassen, sondern mit zahlreichen anderen Ruinen, die auf der Schwäbischen Alb zu finden sind.

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