Einzug in den 4. Stock im Postgebäude – Haus der Kulturen findet Bleibe unter Tauben

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Reutlinger Haus der Kulturen findet provisorischen Unterschlupf im vierten Stock des Postgebäudes für mindestens fünf Jahre

Das Reutlinger Haus der Kulturen / Bürgerhaus hat am 1. Mai eigene Schlüssel erhalten. Und zwar für ein ganzes Stockwerk in dem roten Postgebäude in der Eberhardstraße. Im vierten Stock, also unterm Dach. „Wir entwickeln uns weiter“, sagt Galina Lerner als Vorstandsvorsitzende des Vereins Haus der Kulturen. Denn: Bisher hat der Verein nicht mehr als ein Zimmer, also ein Büro in der Ringelbachstraße 195/001.

Eigentlich waren die ursprünglichen Kalkulationen von rund 1000 Quadratmetern Raumbedarf für das Haus der Kulturen ausgegangen. Finanzierbar sei das in der momentanen Situation des Stadthaushalts aber nicht, sagt Mathias Kostinek. Also galt es, zunächst mal dezentral anzufangen – ein Antrag auf Bundesförderung wurde gestellt, die Stelle von Kostinek als Projektleiter wird seit April 2022 bis Ende dieses Jahres finanziert.

„Ziel des Vereins Haus der Kulturen ist, Begegnungsformate zu schaffen, für Austausch und Vernetzung in der Stadtgesellschaft zu sorgen – wir wollen ein gleichberechtigtes Miteinander schaffen“, so Kostinek. Diese Vorhaben sollen der Ghettobildung in der Stadt entgegenwirken, den Dialog zwischen allen fördern. „Es gab mal eine Immobilie, die für das Haus der Kulturen infrage gekommen wäre, das Geld für die Sanierung war aber nicht vorhanden“, sagt Carmen Gramer vom städtischen Amt für Migration.

Eine halbe Million Euro sei für den Haus-Betrieb plus Personalkosten pro Jahr angesetzt worden. Deutlich weniger als ein Fünftel habe der Verein tatsächlich von der Stadt und den Zuschüssen für die Stelle von Kostinek dieses Jahr erhalten. „Mit der Vereinsgründung im Oktober 2021 waren wir ein Kind der Corona-Zeit, aber mittlerweile lebt und entwickelt sich der Verein, wir haben neue Mitglieder gefunden und gewinnen langsam an Vertrauen in der Stadt“, so Lerner.

Immerhin gebe es nun die provisorische Unterkunft im vierten Stock im Postgebäude, freut sich Vereinsvorstandsmitglied Wolfgang Grulke. Die Mensa sei jahrelang leer gestanden, sehe dementsprechend aus, müsse saniert und ein paar Mauern versetzt werden. Schon vor zwei Jahren habe es einen Mietvertrag gegeben, doch aufgrund der (wegen des Ukraine-Kriegs) drastisch in die Höhe geschossenen Energiekosten habe der Verein dann absagen müssen.

Nun also ein weiterer Anlauf. Am 1. Mai wurden die Schlüssel für das Stockwerk in der Post übergeben. Als Architekt und ebenfalls Vereinsvorstandsmitglied sagt Gerhard Löw: „Das Gebäude ist von hervorragender Substanz.“ Allerdings gebe es einen anderen Haken: Im Moment sei ja völlig unklar, wie die Regionalstadtbahn künftig verlaufen werde: Je nachdem, welche Strecke letztendlich den Vorzug erhalte, müsse das Postgebäude eventuell weichen.

„Wir haben jetzt einen Mietvertrag über fünf Jahre“, so Grulke. Die mittlerweile 21 Mitgliedsinitiativen – mit sechs weiteren Kandidaten – können und sollen sich nun in die Sanierung einbringen. Auch wenn es dort mit knapp 700 Quadratmetern um rund 300 Quadratmeter weniger als die ursprünglich anvisierten 1000 sein werden. „Aber wir haben schon mal 280 gleiche Stühle von der Mensa Morgenstelle in Tübingen und 45 Klapptische“, sagt Lerner.

Es geht also voran. „Im Stockwerk unter der einstigen Post-Mensa soll übrigens Wohnraum für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen entstehen“, weiß Mathias Kostinek. „Ein Teil unserer Arbeit wird dann sicherlich sein, die Geflüchteten zu unterstützen“, betont Galina Lerner. In den ersten drei Stockwerken sei die Post noch drin, gemunkelt werde aber, dass auch die ausziehen werde. „Das ist aber bislang ein Gerücht“, sagt Kostinek.

Die Räume im vierten Stock würden von den Vereinen und allen anderen Nutzern „gemeinsam bespielt, weil das anders gar nicht möglich ist“, so der Projektleiter. Laut Grulke werde das eine logistische Herausforderung. Nach anfänglichen Widerständen bei manchen Vertreterinnen und Vertretern im Verein gegen die Unterkunft, habe die positive Stimmung letztendlich doch überwogen.

„Selbst, wenn das Postgebäude für die Regionalstadtbahn weichen muss, haben wir dann eine andere Lobby und bessere Chancen eine Alternative zu kriegen“, ist Grulke überzeugt. Eine Information noch ganz am Rande: Im fünften Stock des Postgebäudes, also über der ehemaligen Mensa, sind momentan die Tauben, die zuvor unter der Brücke Unter den Linden waren.

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