Institution der Tagesmütter Reutlingen bestehen seit einem halben Jahrhundert – Entwicklung aus der Gesellschaft für die Gesellschaft5
1190 Kinder wurden im März 2024 von fast 350 Tagesmüttern betreut, darunter fanden sich gerade mal 13 Männer, also Tagesväter. Fast 70 Prozent der betreuten Kinder waren unter drei Jahre alt, betont Tülay Schmid als Geschäftsführerin des Tagesmütter-Vereins (TMV) Reutlingen.
Am 24. Juli 1973 haben elf Frauen in Reutlingen den Satzungsbeschluss zur Gründung des Vereins gefasst. Erste Vorsitzende war Susanne Hubberten, ihr Sohn Michael ist heute im Vereinsvorstand. Der Tagesmütter-Verein in Reutlingen sei einer der ältesten noch existierenden in ganz Deutschland. Die Pandemie habe jedoch verhindert, dass schon im vergangenen Jahr, der 50. Geburtstag gefeiert werden konnte, sagt Schmid.
Die Struktur, die Finanzierung der Verwaltung, der Fachberaterinnen und des Qualifizierungsteams sowie der Tagesmütter selbst – all das sei hochkomplex. „Das hat sich alles in den vergangenen fünf Jahrzehnten entwickelt.“ Am Anfang aber stand ein Bericht in der „Brigitte“ über die „dag mammas“ in Schweden. „Das hat eine Diskussion in ganz Deutschland ausgelöst“, so Schmid. Es folgte ein Bundes-Programm, das die damalige SPD-FDP-Regierung unter Kanzler Willy Brandt aufgelegt hatte. Elf Standorte für das Pilotprojekt waren vorgesehen, einer davon war Reutlingen.
„Wir haben die Strukturen hier nach und nach aufgebaut“, betont Valentina Armbruster, Fachberaterin beim TMV in Reutlingen. Bis zu fünf Kinder können Tagesmütter heute betreuen. Die Qualifizierung erfolgte in den 1980er Jahren noch über das Jugendamt, ging aber ab 1989 an den Verein über. Anfangs waren es 64 Unterrichtseinheiten, ab 2011 stieg die Zahl auf 160, heute sind es 300 Einheiten, die Tagesmütter für die qualifizierte Tätigkeit absolvieren müssen.
Außerdem sind heute Fort- und Weiterbildung verpflichtend. Wichtige Themen dabei seien Kindeswohlgefährdung und Inklusion. Eines sei aber ganz klar: Ohne die Tagesmütter wäre die Kinderbetreuung im Kreis Reutlingen nicht denkbar, denn: „Fast 30 Prozent der betreuten U3-Kinder sind in der Kindertagespflege“, so Armbruster. Und die Anfrage steige stetig weiter.
Wie aber funktioniert die Finanzierung der Tagesmütter? „Sie sind selbständig, wir sind die Brücke zu ihnen“, sagt Tülay Schmid. 7,50 Euro pro Kind und Stunde erhalten Tagesmütter vom Landkreis, dazu die Hälfte der Kranken- und Rentenversicherung sowie 100 Prozent der Unfallversicherung. Die Kommunen gewähren einen Zuschuss in Form von Platz- und Sachkostenpauschalen. „Was die Tagesmütter nicht bezahlt kriegen, ist ihre Zeit, die sie für Büroarbeit aufwenden, für Elterngespräche, Vor- und Nachbereitung“, betont die Geschäftsführerin.
Im Verein arbeiten Insgesamt 30 Fachfrauen in der Verwaltung, für die Tagesmütter-Qualifizierung und -Fachberatung. Finanziert wird ihre Tätigkeit über das Land, die Hälfte bezahlt der Landkreis. Der Verein in Reutlingen sei schon immer Vorreiter gewesen – so auch beim Tiger, der „Tagesbetreuung in anderen geeigneten Räumen“.
Die Tiger-Gruppengröße sei überschaubar, die Betreuung besonders familienfreundlich. „Im Vordergrund steht die individuelle Lebenssituation von Kind und Eltern.“ Nachgefragt würden die Tiger von Kommunen und auch von Unternehmen. „40 Tiger gibt es heute, fünf weitere sind in Planung“, sagt Schmid.
Wie erfolgreich, nachhaltig und wie gut die Zusammenarbeit zwischen Tagesmüttern, dem Verein (und dem Jugendamt) funktioniert, zeige sich auch an den Ehrungen, die bei der Jubiläumsfeier am 14. September über die Bühne gehen werden: Insgesamt 60 Tagesmütter und -väter werden dort geehrt, „zwei sind schon seit unglaublichen 45 Jahren dabei“, sagt Tülay Schmid.
Der Tagesmütter-Verein in Reutlingen sei „superinnovativ und nachhaltig“ und auch Mitbegründer des Landesverbands. „Wir werden immer wieder als Leuchtturm bezeichnet, weil hier viele Dinge vorgedacht werden“, so die Geschäftsführerin. Elitär sei die Betreuung durch Tagesmütter aber keinesfalls: „Die Betreuungsplätze bilden die gesamte Gesellschaft ab“, betont Armbruster. Die Finanzierung der Plätze werde über den Landkreis je nach Einkommen und Stundenzahl gestaffelt. Und eines sei sicher, so Schmid: „Die Kindertagespflege wird auch künftig nicht verzichtbar werden.“