Lehrerin Zainab Hauser hat ein Projekt namens „Schnittpünktchen“ als Kooperation zwischen der Jos-Weis-Schule und der Albvereins-Ortsgruppe Betzingen aus der Taufe gehoben
„Wir haben hier so tolle Kinder, die aber fast nichts von ihrer neuen Umgebung kennen“, betonte Zainab Hauser am vergangenen Mittwoch. Hauser ist Lehrerin an der Jos-Weis-Schule und hat sich ein „Integrations- und Kooperationsprojekt“ für die Schülerinnen und Schüler überlegt. „Dazu habe ich einen Kooperationspartner gesucht, der mit dem Thema Heimat zu tun hat“, so Hauser. Der Albverein sei sehr naheliegend gewesen.
An der Jos-Weis-Schule sind viele ukrainische Kinder wie auch viele aus anderen Nationen, die aber alle genau das verloren haben – ihre Heimat. Um diesen Kindern nun das Ankommen hier in der kleinen Großstadt zu erleichtern, hat Hauser das Projekt „Schnittpünktchen“ geboren. Dabei vermitteln Mitglieder des Albvereins den Kindern ein Stück ihrer Heimat. Mit Besuchen bei Oberbürgermeister Thomas Keck etwa.
Am Mittwoch waren elf Schülerinnen und Schüler beim „Chef von Reutlingen“, wie ein Junge es formuliert hatte. Die Aufregung war groß bei den Kindern, die meisten waren zuvor noch nie im Reutlinger Rathaus. Und dann auch noch beim Oberbürgermeister vorgelassen zu werden – das war schon etwas ganz Besonderes.
Und die Kinder hatten Fragen mitgebracht, zum Beispiel: Wie viele Menschen im Rathaus arbeiten? Die Schüler sollen schätzen, sagte Keck. 250? 900? 225? „Mehr als 2600“, sagte der OB. Raunendes Staunen war zu hören. So viel? Noch eine Frage, nun für die Schüler: „Was trägt der OB bei besonderen Festen?“ Drei Antworten waren angeführt. „Silberne Schuhe? Goldene Kette? Roter Hut?“ Fast alle hatten richtig getippt, die goldene Kette war‘s.
Kurz darauf sahen sich die elf Kinder den großen Sitzungssaal des Gemeinderats an – und dann war dieses ganz besondere Event von „Schnittpünktchen“ auch schon wieder vorbei. Als Geschenk der Stadt nahmen die Kinder je einen Gutschein für eine Kugel Eis mit. Was für ein Tag: Ein Besuch „beim Chef von Reutlingen“ und auch noch kostenlos Eis. Herrlich.
Chef von Reutlingen, OB Thomas Keck (links), hier mit Goldkette.
„Wir waren mit den Kindern schon im Stadtarchiv, in den Reutlinger Museen, Brezeln backen bei Bäcker Berger, im Tonne-Theater, in der Marienkirche“, listete Zainab Hauser beim anschließenden Pressegespräch auf. Überall seien sie auf offene Arme gestoßen. All diese Aktionen sollen den jungen Menschen „reelle Erfahrungen in ihrer Umgebung“ vermitteln, so Zainab Hauser. Für die Kids sind das jeden Mittwoch unglaubliche Highlights.
Zweimal im Jahr gibt es „Schnittpünktchen“, zweimal im Jahr können so jeweils zwischen zehn und zwölf Kinder ein halbes Jahr jeden Mittwochnachmittag an diesen besonderen Aktionen teilnehmen. Gestaltet werden die Aktivitäten von Mitgliedern des Albvereins jeweils in Absprache mit der Lehrerin.
Das Projekt von Zainab Hauser wird von dem Bundes-Fördertopf „Partnerschaft für Demokratie“ unterstützt. Dabei soll Demokratie gefördert, Vielfalt gestaltet und Extremismus vorgebeugt werden, betonte Uta Sternbach vom Amt für Integration. Doch weitere Mittel seien vonnöten, betonte Friedemann Rupp als Vorsitzender des Ortsvereins Betzingen vom Schwäbischen Albverein. Spenden wären also willkommen.
Bettina Kappler vom Albverein ist eine der Engagierten, die sich von dem Projekt angesprochen fühlte. Sie ist an die Jos-Weis-Schule gegangen, hat sich von Kindern die Schule zeigen lassen – um dann zu berichten, dass sie selbst als Kind ebenfalls dort Schülerin war. Und was sich im Lauf der Jahrzehnte verändert hat.
Auch Karin Lenz vom Albverein engagiert sich nun an der Schule, „ich lese den Kindern zweimal im Halbjahr 20 Minuten vor – die Begeisterung der Schülerinnen und Schüler ist dabei unglaublich“, so Lenz. Viele andere Tätigkeiten und Aktionen seien noch möglich. Viele weitere Freiwillige können sich laut Rupp auch noch beim Albverein melden. „Die Kinder sind extrem dankbar“, betonte Zainab Hauser.
Was „Schnittpünktchen“ noch brauche, sei eine eigene Homepage. „Wenn sich da jemand finden würde, der so was gestalten kann“, sagte die Lehrerin. Und: Weitere Reutlinger Schulen mit hohem Migrationsanteil, die auch Interesse an „Schnittpünktchen“ haben, könnten sich ebenfalls melden. Entweder beim Albverein oder bei Zainab Hauser.