Ambulant Betreutes Wohnen (ABW) unter dem Dach der Reutlinger AWO betreut seit 25 Jahren Menschen „in besonderen Lebensverhältnissen mit sozialen Schwierigkeiten“
Ein Lkw-Fahrer hatte ein massives Alkoholproblem. Mehr als 20 Jahre ist das her. „Er hatte damals nicht nur seinen Führerschein und damit auch seinen Job verloren, sondern auch seine Partnerin, seine Wohnung – alles“, berichtet Rita Wilde im Gespräch mit den Medien. Dieser Lkw-Fahrer war einer ihrer ersten Klienten im Ambulant Betreuten Wohnen (ABW).
Die Sozialpädagogin erinnert sich noch sehr genau an den Mann. „Er war rund fünf Jahre bei uns in der Betreuung, er hat Entzug, eine Therapie und den Führerschein wieder gemacht, er hat geheiratet und sagt heute noch: Ohne eure Hilfe hätte ich das nie geschafft.“ Ohne die ABW-Unterstützung würde der Lkw-Fahrer vielleicht gar nicht mehr leben.
Solche Erfolgserlebnisse gibt es nicht immer. „Unser vorrangiges Ziel lautet, dass die Menschen ihren Wohnraum behalten können“, sagt Heike Hein. In rund 90 Prozent gelinge das tatsächlich – aber manchmal hapert es an anderen Ecken. Dass die Menschen nicht mehr ins Arbeitsleben integriert werden können etwa. Weil sie krank sind.
25 Jahre gibt es das Ambulant Betreute Wohnen nun in Reutlingen. 25 Jahre lang hat Rita Wilde (als damals einzige Mitarbeiterin mit einer halben Stelle) eine Vielzahl an Menschen betreut. Ihnen wieder auf die Füße geholfen. „Am Anfang habe ich sechs Klienten betreut“, berichtet die Sozialpädagogin. Doch die Zahl der „Fälle“ stieg beständig an, seit rund zehn Jahren sind es jährlich zwischen 40 und 50 Menschen, um die sich mittlerweile 350 Prozentstellen kümmern.
Der ABW-Betreuungsschlüssel liegt bei 1:14 – das sei zu viel, sagt Hein. Wenn eine 100-Prozentkraft sechs Personen betreuen, beraten, manches Mal auch umsorgen könnte, dann wäre das angemessener, betont die AWO-Fachbereichsleiterin der Wohnungsnotfallhilfe. Und wenn schon das Thema Wünschen zum 25. Geburtstag angesprochen wurde: Spezieller Wohnraum für psychisch-kranke Menschen (ohne Krankheitseinsicht) wäre laut Hein und Wilde ebenso sinnvoll und dringend notwendig wie Wohnraum für Jugendliche unter 25 Jahren – in beiden Fällen steigen die Fallzahlen nämlich rapide an. Und Wohnraum mit maßgeschneiderter Betreuung gebe es nicht.
Doch zurück zur Realität: An die 95 Prozent der Arbeit bei der AWO befasst sich mit der Wohnungsnotfallhilfe. Menschen, die auf der Straße leben müssen, kommen als erstes in die Notübernachtung der AWO. Dort werden sie schon von den Fachleuten beraten. Wenn möglich, erhalten sie ein Zimmer in einem der Aufnahmehäuser – „das ist kurzfristiger Wohnraum etwa in der Reutlinger Schenkendorfstraße oder für Frauen im Elisabeth-Zundel-Haus“, so Wilde.
In diesen Häusern werde danach geschaut, ob die Menschen fähig sind, einen eigenen Haushalt zu führen, sie erhalten ein spezielles „Wohntraining“. Danach warten Therapie oder andere Hilfesysteme auf die Menschen, in den meisten Fällen kommen sie aber in „regulären Wohnraum“, wie Hein betont. „Wir haben an die 100 Wohnungen angemietet, sechs davon sind ‚Oasen‘, die meisten anderen aber GWG-Wohnungen“, betont Ulrich Högel, der AWO-Geschäftsführer.
In dem regulären Wohnraum beginnt die Arbeit des Ambulant Betreuten Wohnens erst so richtig. Dazu gehört etwa: Beim Schriftverkehr helfen, Gesundheitsfürsorge in die Wege leiten, Integration ins Arbeitsleben, bei Behördengängen helfen – einfach ganz individuell die benötigte Unterstützung anbieten. „Und auch danach schauen, dass die Kehrwoche gemacht wird“, sagt Wilde und schmunzelt. „Das ist ganz wichtig, wenn man in einem Mietshaus wohnt“, betont die Sozialpädagogin.
„Wenn besondere Lebensverhältnisse und soziale Schwierigkeiten zusammentreffen, gelingt es manchmal nicht mehr, das Leben aus eigener Kraft zu steuern“, betont Heike Hein. Genau in solchen Fällen springt die AWO mit dem ABW ein. Finanziert wird die Hilfe über den Landkreis und die Stadt, die jeweiligen Personen müssen dafür aber einen Antrag aber beim Sozialamt stellen.
Einen Wunsch hat Uli Högel dann doch noch: „Die AWO ist dringend auf Spenden angewiesen, deshalb hoffen wir auch weiterhin, von der Stadt- und Landkreisgesellschaft unterstützt zu werden.“
INFO
„Hilde“ hilft, wenn der Haushalt überquillt
„Hilfe in desorganisierten Haushalten“ (kurz: Hilde), so heißt das Programm, das die Mitarbeiterinnen des Ambulant Betreuten Wohnens auch noch anbieten. Dabei geht es darum, „die Wohnung von Klientinnen oder Klienten wieder in Ordnung zu bringen“, sagt Rita Wilde. Die Betreuung der Menschen in solchen Fällen sei noch um einiges aufwändiger als beim ABW. Manches Mal weigern sich die Mieter, überhaupt jemanden in die Wohnung zu lassen. Die Klienten seien nicht immer „Messis“, manche hätten die gesamte Wohnung auch mit Wertvollem oder mit Sammlerstücken vollgestellt. Schwierig werde es aber, wenn der Vermieter etwa an die Heizungen in der Wohnung muss und der Mieter sich weigert. „Was wir da machen, ist auch präventive Arbeit, damit die Menschen in dem Wohnraum bleiben können“, so Wilde.