Man hätte sie schon als witzig ansehen können. Sätze wie „Leben, wo keiner Urlaub macht“ oder „Das Reu in Reutlingen steht für bereuen“. Solche Sätze waren vor rund einer Woche in Reutlingen an vielerlei unterschiedlichen Standorten in der Stadt aufgetaucht.
Am Bahnhof etwa: „Wir müssen dir leider mitteilen: Du bist in Reutlingen.“ An Straßen. „Was hat die Schwäbische Alb eigentlich verbrochen, dass man ihr Reutlingen vor die Füße gebaut hat?“ Mitten in der Stadt war zu lesen: „Wie immer hier: Es geht nix!“ Oder: „Leben, wo keiner Urlaub macht.“ Und „Große Achalm, nichts dahinter.“ Oder auch: „Nichts ist so langweilig wie ein aufregender Tag in Reutlingen.“ Und ebenfalls am Bahnhof: „Herzlich willkommen – und tut uns leid.“ Versehen waren all die Sprüche mit einem kleineren Zusatz: „Reutlingen kannst du nicht mögen“.
Es war schon spannend, was dahinter stecken würde. Erkenntlich war, dass es sich um eine Initiative der Stadt handelte. Warum aber macht sich die Stadt selbst so runter, konnte man sich fragen. Mir fiel OB Thomas Keck ein, der sich schon manches Mal über Reutlinger aufgeregt hatte, die ihre Heimatstadt verbal niedermachten. War da etwa Ironie im Spiel? Na klar: Da musste Ironie dahinterstecken. So dachte ich. Doch wie würde es weitergehen? Am Montag dieser Woche nun des Rätsels Lösung, nachdem bundesweit über die Kampagne berichtet wurde. Auf Instagram war Reutlingen plötzlich ein Hit und sogar bis in die Tagesschau hatte es die Stadt geschafft.
Und nun? „Reutlingen kannst du nicht mögen. Nur lieben.“ Zwei Worte ergänzen also seitdem die Plakate. Weitere Aktionen sollen folgen. Eine gelungene Kampagne? Die Meinungen dazu gehen weit auseinander. Vom „Tiger, der als Bettvorleger gelandet ist“ wurde geschrieben. Von verfehlter Image-Kampagne. Ich würde ganz einfach sagen: Schaut doch mal ein wenig mit Augenzwinkern auf euch selbst. Und auf die Stadt. Das benötigt allerdings eine gewisse Art von Humor. Klar – man muss diesen Humor nicht mögen. Muss man wirklich nicht. Kann man (oder frau) aber. Ich fand’s witzig. Und bin gespannt, was sich Stadt und Stadtmarketing noch einfallen lassen. Immer nur miesepetrig anführen, was in Reutlingen alles nicht stimmt, klappt und nichts bringt, verbessert die eigene Laune mit Sicherheit nicht. Und die eh schon vorhandene schlechte Stimmung wird so weiter geschürt. Deshalb: Augenzwinkern und durch. Einfach die Welt mal mit ein wenig mehr Humor betrachten. Und selbst berichten, was man an Reutlingen lieben kann. Denn es gibt genug Dinge, die man an Reutlingen lieben kann. Zum Beispiel … äh …